Massnahmen der Zentralbanken zur Überwindung von Fremdwährungs-Liquiditätsengpässen

BIS Quarterly Review  |  December 2008  | 
15. Dezember 2008

(Auszug von Seiten 24-26 vom BIS Quarterly Review, Dezember 2008)

Was zunächst vor allem ein US-Dollar-Liquiditätsproblem europäischer Banken gewesen war, entwickelte sich im September 2008 zu einem umfassenderen Phänomen. Das Austrocknen der Geldmärkte in der zweiten Septemberhälfte und Anfang Oktober erschwerte die Beschaffung von US-Dollar-Finanzmitteln ausserordentlich, und zwar sowohl an besicherten als auch an unbesicherten Märkten. Die Banken in den aufstrebenden Volkswirtschaften, die bis dahin von den Anspannungen an den US-Dollar-Geldmärkten vergleichsweise wenig betroffen gewesen waren, litten nun ebenfalls unter den Liquiditätsengpässen. Darüber hinaus bestanden diese Engpässe nicht mehr nur in US-Dollar; einige Finanzinstitute mit Fremdwährungsverbindlichkeiten in Euro und Schweizer Franken sahen sich ähnlichen Liquiditätsproblemen gegenüber.

Die sich ausbreitende Fremdwährungsknappheit löste verschiedene Reaktionen von Zentralbanken aus. Eine Zentralbank hat im Wesentlichen drei Möglichkeiten, ihre Gegenparteien mit Fremdwährungsmitteln zu versorgen. Zum einen kann sie ihre vorhandenen Währungsreserven einsetzen. Zum anderen kann sie sich Fremdwährungen am Markt leihen. Und zum dritten kann sie mit Fremdwährungen operieren, die sie sich von einer anderen Zentralbank, z.B. der emittierenden Zentralbank, leiht.1 Für alle drei Vorgehensweisen gibt es Präzedenzfälle; in der aktuellen Finanzkrise wurden jedoch die erste und dritte am häufigsten genutzt.2 Insbesondere dürfte die Aufnahme von Mitteln bei einer anderen Zentralbank im Rahmen von Swapvereinbarungen oder in Form von besicherten Krediten dann bevorzugt werden, wenn die eigenen Währungsreserven in der benötigten Währung nicht ausreichen, wenn die vorhandenen Währungsreserven nicht angegriffen werden sollen oder wenn die Besorgnis besteht, der Verkauf weniger liquider Reserveaktiva könnte eine bestehende ungünstige Marktdynamik noch verstärken. Und wie die jüngsten Entwicklungen gezeigt haben, kann auch der Wunsch, ein koordiniertes Vorgehen zu demonstrieren, ein wichtiger Grund dafür sein, anstatt der Verwertung eigener Währungsreserven - oder zusätzlich dazu - Vereinbarungen mit anderen Zentralbanken anzustreben.

Swapfazilitäten und besicherte Kredite unter Zentralbanken

Die gegenseitige Einräumung von Swapfazilitäten durch Zentralbanken - insbesondere unter Beteiligung der Federal Reserve - hat grosse Aufmerksamkeit auf sich gezogen.3 Dies nicht nur deswegen, weil die Finanzkrise am US-Dollar-Markt ihren Ausgang nahm, sondern auch, weil sowohl Volumen als auch Zahl der Swapkreditlinien im Laufe des letzten Jahres erheblich stiegen (s. Tabelle). Von Dezember 2007 bis Mitte September 2008 nutzten nur die EZB und die Schweizerische Nationalbank (SNB) Swapkreditlinien mit der Federal Reserve, um ihren Gegenparteien Liquidität in US-Dollar zur Verfügung zu stellen; sie ergänzten so die Term Auction Facility der Federal Reserve. Diese beiden transatlantischen Swapkreditlinien wurden im Laufe der Zeit erweitert, um immer grössere US-Dollar-Geschäfte zu unterstützen. Als sich Mitte September die US-Dollar-Liquiditätsengpässe verschärften und weitere Kreise zogen, wurde nicht nur die Zahl der Swapfazilitäten der Federal Reserve (von ursprünglich 2 auf 14 gegen Ende Oktober) erhöht, sodass sie immer mehr Zeitzonen und Kontinente umfassten (ursprünglich 1, schliesslich 5 Kontinente), sondern auch ihr Volumen nahm zu. Insbesondere wurden Mitte Oktober die Höchstgrenzen der Fazilitäten der SNB, der EZB, der Bank of England und der Bank of Japan angehoben, um es diesen Zentralbanken zu ermöglichen, ihre US-Dollar-Operationen mit vollständiger Zuteilung und zu festen Zinssätzen durchzuführen. Die Versorgung mit US-Dollar-Liquidität durch Zentralbankpartner verbesserte sich ebenfalls. Zusätzlich zu den im Wesentlichen längerfristigen Angeboten (1 Monat oder 3 Monate) gab es jetzt auch einwöchige und eine Zeitlang auch Tagesgeldangebote4, und neben den Repo-Geschäften und besicherten Krediten gab es jetzt auch Devisenswaps.

Ferner wurden Vereinbarungen in Euro und Schweizer Franken getroffen, wenn auch auf einer stärker regional ausgerichteten Basis. Im Mai 2008 kündigten die Zentralbanken Schwedens, Norwegens und Dänemarks eine Vereinbarung mit der isländischen Zentralbank an, Euro gegen isländische Kronen zu tauschen. Im Oktober 2008 kam es zwischen der EZB und der SNB zu einer Swapvereinbarung, um die Versorgung mit Liquidität in Schweizer Franken im Euro-Raum sicherzustellen, insbesondere für kleinere Banken, die keinen direkten Zugang zu den Marktgeschäften der SNB hatten. Im gleichen Monat richteten die EZB und die Danmarks Nationalbank eine Swapfazilität zur Verbesserung der Liquidität an den dänischen Märkten für kurzfristige Euro-Mittel ein. Ausserdem verpflichtete sich die EZB zur Versorgung der ungarischen Zentralbank mit Euro über ein Repo-Geschäft. Im November trafen die SNB und die EZB mit der polnischen Zentralbank Vereinbarungen über die Versorgung mit Schweizer Franken bzw. Euro.

Eine Reihe dieser Fazilitäten wurde zwar öffentlich bekannt gegeben, jedoch bisher nicht in Anspruch genommen. Dies legt den Schluss nahe, dass diese Vereinbarungen vorsorglich getroffen wurden, um eine Auffangmöglichkeit für den Notfall zur Verfügung zu haben, und keinen unmittelbaren Bedarf an einer tatsächlichen finanziellen Unterstützung aus dem Ausland signalisieren.

Einsatz vorhandener Währungsreserven

Auch auf ihre eigenen Währungsreserven haben die Zentralbanken zurückgegriffen, um Engpässe in der Versorgung mit Fremdwährung zu überwinden. Seit Beginn der akuteren Phase der Turbulenzen an den Finanzmärkten Mitte September 2008 haben die Zentralbanken der wichtigsten aufstrebenden Volkswirtschaften mehrheitlich direkte Verkäufe von Währungsreserven durchgeführt, um die Nachfrage des inländischen Marktes nach Fremdwährungsmitteln zu befriedigen und um den Druck auf den Wechselkurs zu mindern.5 Ausserdem boten einige Zentralbanken (z.B. in Brasilien und auf den Philippinen) potenziellen Gegenparteien Währungsreserven im Rahmen von Repo-Geschäften an. Eine ergänzende Massnahme sind Devisenswaps mit entsprechenden Gegenparteien, die ebenfalls für Liquidität in Fremdwährung sorgen. Für Zentralbanken, die bereits seit Langem im Rahmen ihrer üblichen Geldmarktgeschäfte mit Devisenswaps arbeiten (z.B. die Reserve Bank of Australia), bedeutet diese Massnahme kein neues Instrument, sondern es wird lediglich ein vorhandenes für einen anderen Zweck eingesetzt. Einige Zentralbanken (z.B. in Korea und Indonesien) haben Änderungen ihrer vorhandenen Devisenswapfazilitäten angekündigt (u.a. eine Erweiterung des Kreises möglicher Gegenparteien oder eine Verlängerung der Laufzeiten), um den Prozess der Bereitstellung von Fremdwährungen effizienter und flexibler zu gestalten. Andere (z.B. in Brasilien, Chile und Polen) haben neue Swapfazilitäten eingerichtet oder (z.B. in der SVR Hongkong) ihre Bereitschaft verkündet, Swapgeschäfte mit Gegenparteien nach Bedarf durchzuführen. Darüber hinaus sind einige Zentralbanken (z.B. in Ungarn) auch bereit, auf beiden Seiten von Devisenswaps zu agieren und so Besorgnisse wegen des Gegenparteirisikos zu mindern.


1 In einigen Fällen kann eine solche Kreditaufnahme mit einer sonstigen offiziellen finanziellen Unterstützung, z.B. durch den IWF, kombiniert werden.
2 Neben der Bereitstellung von Liquidität in Fremdwährung können Zentralbanken auch andere Massnahmen ergreifen - z.B. Änderungen bei den Mindestreserveanforderungen -, um die Verfügbarkeit von Fremdwährungsmitteln im Finanzsystem zu verbessern.
3 Swapkreditlinien sind keineswegs ein neues geldpolitisches Instrument, auch wenn sie historisch gesehen eher zur Unterstützung von Interventionen an den Devisenmärkten genutzt wurden als zur Überwindung von Engpässen bei Fremdwährungsfinanzmitteln.
4 Die täglichen Auktionen für US-Dollar-Tagesgeld der EZB, der SNB und der Bank of England von Mitte September bis Mitte November 2008 (Mitte Oktober im Falle der EZB) zielten speziell auf die Verringerung von US-Dollar-Engpässen in den Morgenstunden des europäischen Handelstags ab.
5 Da die üblichen Wege für die Versorgung mit US-Dollar-Finanzmitteln (Kredite und Devisenswaps) blockiert waren, kauften Berichten zufolge viele Unternehmen US-Dollar am Kassamarkt, was zu einer starken Abwertung der jeweiligen Landeswährung führte.