BIZ-Quartalsbericht September 2016: Märkte bestehen Brexit-Prüfung

Pressemitteilung  | 
18. September 2016

Die Märkte erholten sich rasch vom Schock über den Ausgang des EU-Referendums im Vereinigten Königreich. Die Zentralbanken vermochten die Märkte zu beruhigen und lockerten die Geldpolitik in den letzten Monaten erneut. Gleichzeitig warf die Dissonanz an den Märkten Fragen zu den Aussichten und der Bewertung der zugrundeliegenden Risiken auf.

Die jüngste Rally hinterlasse ein zwiespältiges Gefühl - mehr Peitsche als Zuckerbrot, mehr "Push" als "Pull", mehr Frustration als Freude, so Claudio Borio, Leiter der Währungs- und Wirtschaftsabteilung. Daraus erkläre sich die bohrende Frage, ob die Marktpreise die drohenden Risiken vollumfänglich berücksichtigen. Zweifel an den Bewertungen hätten sich in den letzten Tagen offenbar verfestigt. Nur die Zukunft werde es zeigen.

Der BIZ-Quartalsbericht vom September 2016:

  • Stellt vier Verbesserungen der veröffentlichten BIZ-Daten vor: detailliertere länderspezifische Angaben zur grenzüberschreitenden Bankkreditvergabe, langfristige Datenreihen sowohl für die Lücke bei der Kreditquote - einen Frühwarnindikator für Bankprobleme - als auch für die Preise gewerblicher Immobilien sowie historische Datenreihen zu Verbraucherpreisen, die teilweise bis ins Jahr 1661 zurückreichen. Zudem veröffentlicht die BIZ nun Tageswerte des nominalen effektiven Wechselkurses für 61 Länder. Diese neuen Datenreihen sind online abrufbar und werden regelmäßig aktualisiert.

  • Zeigt erstmals seit 2009, dem Zeitpunkt der globalen Finanzkrise, wieder ein negatives Jahreswachstum der in US-Dollar denominierten Bankkredite an Schuldner außerhalb der USA im ersten Quartal 2016.

  • Untersucht die Rolle des Vereinigten Königreichs als ein Zentrum des internationalen Bankgeschäfts. Die grenzüberschreitende Kreditaufnahme und -vergabe von im Vereinigten Königreich ansässigen Banken - d.h. Geschäftsstellen ausländischer Banken im Vereinigten Königreich - ist deutlich umfangreicher als das grenzüberschreitende Geschäft von Banken mit Hauptsitz im Vereinigten Königreich.

  • Dokumentiert den Trend, wonach Nichtfinanzunternehmen eher Schuldtitel in Euro als in US-Dollar begeben, um von den niedrigeren Finanzierungskosten und den Ankäufen von Vermögenswerten durch die EZB zu profitieren. In Euro denominierte Anleihen machen einen wachsenden Anteil der Nettoemissionen internationaler Schuldtitel aus, auch bei Emittenten in den USA und aufstrebenden Volkswirtschaften.

  • Erörtert das starke Wachstum des außerbörslichen Derivathandels und stützt sich dabei auf die jüngste Ausgabe der 3-jährlichen Zentralbankerhebung der BIZ über das Geschäft an den Devisen- und Derivatmärkten.

Vier Feature-Artikel untersuchen die Entwicklungen an den Devisen- und Anleihemärkten:

  • Claudio Borio, Robert McCauley, Patrick McGuire und Vladyslav Sushko (BIZ)* untersuchen, weshalb die gedeckte Zinsparität - quasi ein physikalisches Gesetz für die internationale Finanzwelt - nicht mehr gilt. Ihre Analyse von Daten zu Währungsabsicherungsaktivitäten von Banken, institutionellen Anlegern und Nichtfinanzunternehmen zeigt, dass der Zusammenbruch der gedeckten Zinsparität auf eine wachsende Nachfrage nach Devisenderivaten zur Währungsabsicherung im gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld zurückzuführen ist. Demnach begrenzen ein strengeres Risikomanagement und ein geringerer Handlungsspielraum in den Bilanzen die Gewinnmöglichkeiten und sorgen dafür, dass die gedeckte Zinsparität anhaltend verletzt wird. 

    Nach Ansicht von Hyun Song Shin, dem Volkswirtschaftlichen Berater und Leiter Wirtschaftsforschung, ist die anhaltende Verletzung der gedeckten Zinsparität an sich wohl kein Grund zur Sorge für die politischen Entscheidungsträger. Allerdings sollte nicht übersehen werden, dass sie Hinweise auf die Gesundheit des Bankensektors liefert. Wenn Banken ihre Bilanzkapazität so wenig ausnutzten, obwohl im finanziellen Umfeld weitgehend Ruhe herrsche, so die Überlegung von Hyun Song Shin, was würde erst passieren, wenn die Volatilität wieder ansteigt?

  • Dietrich Domanski, Emanuel Kohlscheen und Ramon Moreno (BIZ)* untersuchen, inwiefern Finanzstabilitätsüberlegungen seit der Finanzkrise zu einem immer wichtigeren Beweggrund für Devisenmarktinterventionen von Zentralbanken geworden sind. Bei der Stabilisierung der Märkte sehen sich Zentralbanken mit einem Zielkonflikt zwischen Wahrung der Marktliquidität und Aufrechterhaltung hoher Währungsreserven konfrontiert. Dieser Zielkonflikt beeinflusst die Instrumente, die sie bei Devisenmarktinterventionen einsetzen.

  • José María Serena (Banco de España) und Ramon Moreno (BIZ)* stellen fest, dass Unternehmen in aufstrebenden Volkswirtschaften mit eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten vor Ort vermehrt Anleihen im Ausland begeben. Überdies nutzen diese Unternehmen offenbar die Erträge aus Anleiheemissionen für den Erwerb kurzfristiger Aktiva, wodurch möglicherweise eine Schwachstelle im Finanzsystem entsteht.

  • Stefan Avdjiev, Agne Subelyte und Előd Takáts (BIZ)* analysieren die erweiterten Daten der BIZ zum internationalen Bankgeschäft und kommen zu dem Schluss, dass die grenzüberschreitende Kreditvergabe in Euro zunahm, als der Euro ungefähr Anfang 2015, dem Zeitpunkt der Ankündigung geldpolitischer Lockerungsmaßnahmen durch die EZB, abwertete. Für Kreditgeber-Schuldner-Paare mit einem bereits hohen Anteil von in Euro denominierten Forderungen und für fortgeschrittene Volkswirtschaften außerhalb des Euro-Raums war diese Zunahme besonders ausgeprägt. Dies zeigt, dass die Geldpolitik der EZB weit über die Grenzen des Euro-Raums hinaus Auswirkungen haben kann.


* Namentlich gezeichnete Artikel geben die Meinung der Autoren wieder, die sich nicht unbedingt mit dem Standpunkt der BIZ deckt.