BIZ-Quartalsbericht März 2014: Aufstrebende Volkswirtschaften reagieren auf Marktdruck

Pressemitteilung  | 
9. März 2014
  • In der Entwicklung der Währungen aufstrebender Volkswirtschaften spiegelten sich in den letzten Monaten sowohl der Erfolg der Zentralbanken bei der Stützung der Wechselkurse als auch die politische Unsicherheit in mehreren Ländern wider. Externe Ungleichgewichte, Inflation und Wachstum des inländischen Kreditvolumens spielten eine deutlich geringere Rolle als während der Abwertungsphase im Mai und Juni 2013.
  • Die grenzüberschreitende Interbankkreditvergabe nahm im dritten Quartal 2013 noch schneller ab. Der Rückgang seit der Finanzkrise von 2007-09 entfiel grösstenteils auf Banken mit Hauptsitz im Euro-Raum, der Rest vorwiegend auf Schweizer Banken.
  • Der Schuldtitelumlauf erreichte Mitte 2013 schätzungsweise $ 100 Billionen, da Staaten und Nichtfinanzunternehmen nach der Krise in grossem Umfang Schuldtitel ausgaben. Im Vergleich zu früher halten ausländische Anleger einen kleineren Anteil an Schuldtiteln. Dies deutet darauf hin, dass die Globalisierung der Portfolios nach der Krise zum Teil wieder rückgängig gemacht wurde. Dieser Rückzug könnte jedoch nur vorübergehend sein.
  • Finanzielle Entwicklung fördert das Wachstum - aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Leonardo Gambacorta, Jing Yang und Kostas Tsatsaronis (BIZ) schätzen, dass sich das Wachstum verlangsamt, sobald dieser Punkt überschritten ist. Volkswirtschaften mit bankbasierten Finanzsystemen haben tendenziell schwächere Rezessionen als solche, bei denen sich Unternehmen am Kapitalmarkt refinanzieren. Doch diese Tendenz kehrt sich um, wenn ein Konjunkturabschwung mit einer Finanzkrise zusammenfällt.
  • Mit ihrer zukunftsgerichteten Zinsorientierung („Forward Guidance") konnten die wichtigsten Zentralbanken erfolgreich die Volatilität der erwarteten künftigen Leitzinssätze verringern. Zu diesem Schluss kommen Andrew Filardo und Boris Hofmann (BIZ). Weniger klar ist, wie sich die „Forward Guidance" auf die Höhe der erwarteten Zinssätze und die Reaktionen der Finanzmärkte auf Neuigkeiten auswirkt.
  • Die Lücke zwischen dem Verhältnis Kreditvolumen/BIP und seinem langfristigen Trend ist ein guter Indikator für das Entstehen finanzieller Schwachstellen, argumentieren Mathias Drehmann und Kostas Tsatsaronis (BIZ); sie dürfte somit eine nützliche Richtschnur für die Festlegung der antizyklischen Kapitalpolster sein.
  • Die Märkte für Non-deliverable Forwards (NDF, Terminkontrakte ohne Lieferung) treten meist in den Hintergrund, wenn ein Land Kapitalverkehrskontrollen abschafft. Zu diesem Befund gelangen Robert McCauley, Chang Shu und Guonan Ma (BIZ). Im Falle des chinesischen Renminbi lösen derzeit offshore gehandelte Terminkontrakte mit Lieferung die etablierten NDF als wichtigstes Absicherungsinstrument gegen Wechselkursvolatilität ab.
  • Überraschenderweise zogen die umfangreichen Anleihekäufe der Federal Reserve Dollars aus dem Eurodollarmarkt in die USA. Robert McCauley und Patrick McGuire (BIZ) zeigen auf, wie Nicht-US-Banken im Ausland Dollar aufnahmen mit dem Ziel, sie als Reserven bei der Federal Reserve zu halten.

Abrisse der einzelnen Kapitel

Aufstrebende Volkswirtschaften reagieren auf Marktdruck

Zum Jahreswechsel beschleunigte sich der Rückzug der Anleger aus den aufstrebenden Volkswirtschaften. Die verhaltenen Wachstumsaussichten in diesen Volkswirtschaften wichen weiterhin von der generell optimistischen Stimmung an den reifen Märkten ab, und der Strom billigen Geldes aus den USA wurde durch staatliche Massnahmen reduziert. Die Anleger wurden überdies durch Anzeichen einer wirtschaftlichen Abschwächung und wachsende Finanzrisiken in China verunsichert. Das Resultat waren Abflüsse von Portfolioinvestitionen und sinkende Vermögenspreise. Gleichzeitig gaben auch die Währungen aufstrebender Volkswirtschaften weiter nach, was zu Leitzinserhöhungen und Interventionen an den Devisenmärkten führte.

Die jüngste Abwertung von Währungen aufstrebender Volkswirtschaften weist zwar eine auffallende Ähnlichkeit mit der Verkaufswelle von Mitte 2013 auf, doch liegen ihr dieses Mal andere Faktoren zugrunde. Im früheren Fall werteten vor allem die Währungen von aufstrebenden Volkswirtschaften mit grossen aussenwirtschaftlichen Ungleichgewichten, hoher Inflation oder einem rasant wachsenden inländischen Kreditvolumen ab. Die jüngsten Abwertungen dagegen waren auf politische Unsicherheiten und unterschiedliche Wachstumsaussichten zurückzuführen. Zudem intervenierten die Zentralbanken dieses Mal sehr viel energischer.

In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften hielt die Erholung an. Die Anleger setzten ihre Hoffnung auf Zusagen, dass die Geldpolitik weiterhin auf Wachstumsförderung ausgerichtet werde, wie auch auf positiv überraschende Wirtschaftsmeldungen, insbesondere im Euro-Raum und im Vereinigten Königreich. Daher nahmen sie die Aussicht auf und den tatsächlichen Beginn des „Tapering" in den USA gelassen hin. Die Kreditzinsspannen verengten sich bis Mitte Januar weiter, während stetige Zuflüsse in Aktienfonds die Aktienkurse erneut nach oben trieben. Enttäuschende Daten zur Schaffung neuer Arbeitsplätze in den USA sowie schlechte Nachrichten aus den aufstrebenden Volkswirtschaften trübten jedoch gegen Ende Januar die Marktstimmung. Dadurch kam es zu einer abrupten, wenn auch vorübergehenden Umkehr der Bewertungen in allen ausser den sichersten Anlagekategorien.

Wichtigste Erkenntnisse aus den internationalen BIZ-Statistiken

Die grenzüberschreitenden Forderungen der an die BIZ berichtenden Banken nahmen im dritten Quartal 2013 erneut ab. Die Interbankforderungen verzeichneten den stärksten Rückgang seit dem zweiten Quartal 2012, wobei dieser hauptsächlich auf konzerninterne Positionen entfiel. Die grenzüberschreitende Kreditvergabe an Nichtbanken ging ebenfalls zurück, insbesondere an Schuldner in den USA und im Euro-Raum. Unter den wichtigsten Berichtsregionen meldeten nur aufstrebende Volkswirtschaften und Japan eine Zunahme der grenzüberschreitenden Kreditvergabe an Gebietsansässige.

Die internationalen Interbankfinanzierungen hatten unter der Finanzkrise von 2007-09 und den nachfolgenden finanziellen Anspannungen im Euro-Raum schwer gelitten. Das Volumen der grenzüberschreitenden Interbankkredite (einschl. konzerninterner Positionen) schrumpfte von $ 22,7 Billionen Ende März 2008 auf $ 17,0 Billionen Ende September 2013. Über zwei Drittel des Gesamtrückgangs entfielen auf Banken mit Hauptsitz im Euro-Raum, der Rest vorwiegend auf Schweizer Banken.

Der globale Schuldtitelmarkt wuchs bis Mitte 2013 auf schätzungsweise $ 100 Billionen an, verglichen mit $ 70 Billionen Mitte 2007. Der Staatssektor (weit definiert als Zentralstaat sowie regionale und lokale Gebietskörperschaften) war der grösste Emittent von Schuldtiteln. Der Bestand staatlicher Schuldtitel erreichte bis Juni 2013 $ 43 Billionen und war damit rund 80% höher als Mitte 2007. Die Schuldtitelemission der Nichtfinanzunternehmen weitete sich in ähnlichem Tempo aus, allerdings ausgehend von einem niedrigeren Niveau. Gedämpfter war der Absatz von Finanzinstituten.

Gebietsfremde halten rund ein Viertel der umlaufenden Schuldtitel, verglichen mit 29% Anfang 2007. Dieser Rückgang deutet darauf hin, dass der Prozess der internationalen Portfoliodiversifizierung nach der Krise zum Teil wieder rückgängig gemacht wurde. Dies könnte jedoch nur vorübergehend sein. Aus den Zahlen der CPIS-Erhebung des IWF geht hervor, dass sich die grenzüberschreitenden Anlagen in Schuldverschreibungen in der zweiten Jahreshälfte 2012 (jüngere Daten sind nicht verfügbar) leicht erholt haben.

Features

Struktur des Finanzsystems und Wachstum*

Bis zu einem bestimmten Punkt fördern sowohl Banken als auch Märkte das Wirtschaftswachstum. Schätzungen von Leonardo Gambacorta, Jing Yang und Kostas Tsatsaronis (BIZ) zufolge verringern eine erweiterte Bankkreditvergabe oder marktbasierte Finanzierung die Wachstumsrate, sobald das Wachstum des Finanzsystems diese Schwelle überschreitet.

Banken und Märkte unterscheiden sich erheblich darin, wie sie Schwankungen des Konjunkturzyklus dämpfen. In einem normalen Abschwung tragen solide Banken dazu bei, den Schock abzufedern. Wenn jedoch eine Rezession mit einer Finanzkrise zusammenfällt, so die Autoren, sind die Auswirkungen auf das BIP dreimal gravierender in den Volkswirtschaften, die auf Banken ausgerichtet sind, als in denjenigen, die marktorientiert sind.

„Forward Guidance" und die Nullzinsgrenze*

Vier bedeutende Zentralbanken haben neue Ansätze für die zukunftsgerichtete Zinsorientierung („Forward Guidance") eingeführt mit dem Ziel, die Wirksamkeit der Geldpolitik an der Nullzinsgrenze zu verstärken. In diesem Feature stellen Andrew Filardo und Boris Hofmann (BIZ) fest, dass dieser neue Ansatz offenbar die Volatilität der in den nächsten Jahren erwarteten Leitzinssätze verringert hat. Hingegen ist weniger klar, wie er sich auf die Höhe der erwarteten Zinssätze und die Reagibilität der Finanzmarktpreise auf Neuigkeiten auswirkt. Die Zukunft der Forward Guidance hängt davon ab, wie die Zentralbanken mit einer Reihe bedeutender Herausforderungen umgehen.

Die Lücke im Verhältnis Kreditvolumen/BIP und die antizyklischen Kapitalpolster: Fragen und Antworten*

Basel III verwendet die Lücke zwischen dem Verhältnis Kreditvolumen/BIP und seinem langfristigen Trend als Richtschnur für die Festlegung der antizyklischen Kapitalpolster. In diesem Artikel antworten Mathias Drehmann und Kostas Tsatsaronis (BIZ) auf Kritik an dieser Messgrösse. Sie argumentieren, dass diese Kritik zwar teilweise berechtigt sei, dass manche Kritiker jedoch den Zweck des Indikators missverstehen: Er soll Banken vor Verlusten schützen und nicht den Konjunkturzyklus dämpfen. Historisch gesehen ist die Lücke im Verhältnis Kreditvolumen/BIP in zahlreichen Ländern und für etliche Krisen ein robuster Einzelindikator für das Entstehen von Schwachstellen im Finanzsystem gewesen. Sie soll daher den Aufsichtsinstanzen eine Grundlage für die Entscheidung liefern, wie und wann die antizyklischen Kapitalpolster vorzuschreiben sind, und nicht diese Entscheidung diktieren.

Non-deliverable Forwards im Jahr 2013 und in Zukunft*

Non-deliverable Forwards (NDF, Terminkontrakte ohne Lieferung) ermöglichen Anlegern und Schuldnern, Positionen in Währungen einzugehen, die staatlich kontrolliert werden. Robert McCauley, Chang Shu und Guonan Ma (BIZ) weisen nach, dass der NDF-Umsatz in den letzten Jahren gestiegen ist, da ausländische Anleger diese Geschäfte nutzen, um ihre wachsenden Bestände an Anleihen in Landeswährung abzusichern. Die Autoren stellen fest, dass die Preisbildung am Terminmarkt mit und ohne Lieferung segmentiert ist und dass in Krisenzeiten NDF massgebend sind.

Es stellt sich die zentrale Frage, was mit den NDF-Märkten geschieht, wenn die Kontrollen, die zu ihrer Entstehung geführt haben, aufgehoben werden. Nach Beobachtung der Autoren treten sie nach der Liberalisierung meist in den Hintergrund. Im Falle des chinesischen Renminbi gewinnen derzeit offshore gehandelte Terminkontrakte mit Lieferung gegenüber dem etablierten NDF-Markt an Boden.

Forderungen von Nicht-US-Banken gegenüber der Federal Reserve*

US-Tochtergesellschaften von Nicht-US-Banken halten rund die Hälfte der Forderungen gegenüber der Federal Reserve, die zur Finanzierung von deren grossvolumigen Anleiheankäufen entstanden sind. Dabei schalteten diese Töchter weitgehend nicht versicherte Zweigstellen ein, die von einer neuen Gebühr der US-Bundeseinlagenversicherungsanstalt (Federal Deposit Insurance Corporation) auf Kapitalmarktfinanzierungen von in den USA zugelassenen Banken nicht betroffen sind. Robert McCauley und Patrick McGuire (BIZ) stellen fest, dass diese Zweigstellen sich bei ihren Konzerngesellschaften im Ausland Dollar besorgten, um diese Mittel dann bei der Federal Reserve anzulegen. Auf konsolidierter Basis nahmen Nicht-US-Banken Dollar auf, indem sie andere Währungen gegen Dollar tauschten und Dollar-Verbindlichkeiten aufstockten. Gleichzeitig erhöhten sie ihre Dollar-Forderungen ausserhalb der USA weiter.



* Namentlich gezeichnete Artikel geben die Meinung der Autoren wieder, die sich nicht unbedingt mit dem Standpunkt der BIZ deckt.