Andréa M Maechler speaks about the BIS Campus, the global economy and the BIS

Interview (only available in German) with Ms Andréa M Maechler, Deputy General Manager of the BIS, in Switzerland's bz newspaper, conducted by Andreas Möckli and Benjamin Wieland and published on 23 January 2024.

BIS speech  | 
23 January 2024

Was sind die grössten Unterschiede zwischen Ihrer Arbeit bei der Nationalbank und bei der BIZ?

Andréa M Maechler: Es ist eine grosse Freude, hier sein zu dürfen. Für mich ist es bemerkenswert, welche einzigartige Rolle die BIZ spielt in der internationalen Zusammenarbeit und in der Aufgabe, den Zentralbanken zu helfen, ihren Auftrag zu erfüllen, um Finanzstabilität zu gewährleisten. Meine Arbeit als stellvertretende Generaldirektorin ist es, Agustín Carstens, den Generaldirektor der BIZ, in der Leitung der Bank zu unterstützen und sie international zu vertreten. Viele Elemente meiner Tätigkeit hier und bei der Nationalbank ähneln sich, aber meine Arbeit hier ist viel internationaler ausgerichtet.

Wie äussert sich das?

Ein Beispiel: Die BIZ ist eine Drehscheibe für Innovation für Zentralbanken. Wir betreiben sogenannte Innovation Hubs. Weltweit gibt es sechs dieser Zentren, auch eines in der Schweiz, das von der Nationalbank geleitet wird. Früher hatte ich Schlüsselprojekte in diesem Zentrum inne. Heute besteht meine Arbeit darin, den Erfolg der Hubs als Ganzes zu garantieren. Es gibt also viele Gemeinsamkeiten, aber meine neue Position hat eine breitere Reichweite und ist globaler ausgerichtet.

Sie sind die erste Frau und die erste Schweizerin in dieser Position. Welche Bedeutung hat das für Sie?

Es ist eine grosse Ehre. Die BIZ ist die älteste internationale Finanzorganisation der Welt und war schon immer hier in Basel. Seit ihrer Gründung 1930 hat sich ihre Rolle zwar geändert, aber die BIZ war immer da, wenn sie am meisten gebraucht wurde: Während Finanzkrisen. Jene, die ich mitgekriegt habe, waren die mexikanische Krise 1994, die asiatische Krise 1997, dann die globale Krise 2008 und die Covid-Krise. Zum Aspekt, dass ich die erste Frau in dieser Position bin: Die Finanzwelt ist noch immer sehr männerdominiert. Aber auch das ändert sich. 

Sehen Sie sich als Vorreiterin? Sie waren auch bei der SNB die erste Frau im Direktorium.

Ich freue mich, wenn ich hier als Frau einen konstruktiven Beitrag leisten kann und damit Teil des laufenden Wandels bin. Ich bin nicht die Einzige. Wir haben in der BIZ sehr gute, starke Frauen, wir suchen aber immer noch neue.

Wollen sie den Frauenanteil in der BIZ weiter erhöhen?

Das ist so. Aber schon vor meiner Zeit wurde beschlossen, dass wir auf Managementebene 50 Prozent der offenen Stellen an Frauen vergeben wollen. 

Wie hoch ist der Frauenanteil im Managementbereich aktuell?

Wir liegen knapp über 30 Prozent. Wir sind noch nicht dort, wo wir sein wollen, aber wir arbeiten daran. Im Topmanagement ist der Frauenanteil jedoch etwas höher. 

Sie sind in Genf geboren, haben aber unter anderem in Kanada und in den USA studiert und in Frankfurt und Washington gearbeitet. Jetzt sind sie seit September in Basel tätig. Was gefällt Ihnen an der Stadt?

Vieles! Ich finde, Basel vereint das Beste der Schweiz. Basel ist klein, aber extrafein. Basel hat Architektur, Kunst und Tradition, etwa die Fasnacht und ihre schöne Altstadt. Das ist die typisch schweizerische Seite der Stadt: Die Vereinigung von Moderne und Tradition. Und Basel kennt man in der Welt der Finanzen und Banken. Sie werden kaum eine leitende Person in dieser Branche finden, die Basel nicht kennt.

Der Grössenunterschied zwischen Mega-Städten und Basel ist eklatant.

Wenn sie zum ersten Mal hier sind, sind sie erstaunt. Die Stadt ist zwar klein, aber sie hat alles, was man braucht. Das ist vergleichbar mit La Genève Internationale, dem Genf der internationalen Organisationen. Was für uns auch wichtig ist: Die Anbindung. Wir haben den Bahnhof vor der Tür, der Flughafen ist nah. Auch die Verbundenheit mit dem Dreiländereck muss ich erwähnen: Ich bin aus Genf, da fühle ich mich sofort zu Hause. Dann die Lebensqualität: In zehn Minuten Fussdistanz bin ich am Rhein und kann schwimmen gehen.

Sie sind schon im Rhein geschwommen?

Ja, selbstverständlich!

An welchen Ihrer bisherigen Stationen hat es Ihnen am besten gefallen?

Das kann ich so pauschal nicht beantworten. Es kommt auch darauf an, in welcher Lebensphase man gerade ist. Fest steht aber: Die Lebensqualität in Basel, aber auch in Genf und Zürich, ist weltweit beinahe unvergleichlich.

Die BIZ will ausbauen. Im Dezember 2022 wurde das Projekt für einen Campus mit einem neuen 107-Meter-Hochhaus präsentiert. Warum benötigt die BIZ so viel zusätzlichen Raum?

Die BIZ hat zwar ihre Aktivitäten ausgebaut und die Zahl ihrer Mitgliedszentralbanken erhöht, das ist aber nicht der eigentliche Grund. Es geht um zwei Dinge: Wir wollen, dass alle unsere Mitarbeitenden in Basel an einem Ort zusammenkommen. Und wir benötigen moderne Tagungseinrichtungen. Was häufig unterschätzt wird: Gouverneure der Zentralbanken, die bei der BIZ Mitglied sind, kommen im Schnitt fünf- bis sechsmal pro Jahr nach Basel, um hier zu arbeiten und sich auszutauschen. Für erfolgreiche Meetings benötigen wir Räumlichkeiten, die einen innovativen Gedankenaustausch unterstützen.

Heutzutage lassen sich Meetings auch online abhalten.

Auch wir führen selbstverständlich Online-Meetings durch. Aber nichts kann die unmittelbare persönliche Begegnung ersetzen. In unserem Tätigkeitsbereich geht es auch um Vertrauen. Wir lassen uns beim Campus-Projekt also von der Frage leiten: Wie können wir etwas erhalten, was hilft, einen gemeinsamen BIZ-Geist zu schaffen? Die Teilnehmenden unserer Konferenzen kommen teilweise von weit her. Wir geben Denkanstösse und wollen ein Arbeitsumfeld schaffen, das agile und integrative Denkweisen fördert. Das wirkt sich auch auf die Wahl des Materials aus. Der geplante Neubau enthält viel Grün und Holz.

Die BIZ hat zwei Standorte: Das Hochhaus am Bahnhof und das Gebäude von Mario Botta am Aeschenplatz. Die zwei Gebäude sind nur einige Gehminuten voneinander entfernt. Eignet sich der Botta-Bau nicht für die Arbeit bei der BIZ?

Wir sind stolz darauf, über einen Bau von Botta zu verfügen. Und die paar Gehminuten, welche die zwei Standorte trennen, sind auch nicht entscheidend. Wir haben ja auch Mitarbeitende in Hongkong, Mexiko und anderswo, und das funktioniert. Aber wir wollen nicht, dass es in Basel in so kurzer Distanz einen Haupt- und einen Nebenstandort gibt. Wenn die Leute ins Büro kommen, dann sollen sie alle zusammen sein.

Die BIZ galt zumindest früher als äusserst diskrete, man könnte sagen verschlossene Institution. Nun öffnet sich die Bank immer stärker. Das kann man sogar anhand der Architektur sehen. Der Campus-Entwurf enthält viele transparente Elemente. 

Sie haben Recht. Nach 15 Jahren haben wir im Jahre 2021 wieder unsere Tore für die Öffentlichkeit geöffnet. Ich freue mich, die lokale Bevölkerung wieder bei unserer Ausstellung begrüssen zu dürfen. Trotzdem haben wir uns selber nie als verschlossen oder gar geheim empfunden. Das entscheidende ist: Wir sind am Ende Technokraten. Wir sind hier, um gute Arbeit zu leisten. Für uns ist es viel wichtiger, dass die relevanten Personen zu uns kommen, als ständig in den Medien präsent zu sein. Eine transparente, offene Kommunikation wird aber immer wichtiger.

Wird es auf dem Campus eine Publikumsnutzung geben, etwa ein Café oder buchbare Konferenzräume?

Wir denken darüber nach, wie wir uns der lokalen Bevölkerung gegenüber öffnen können. Eine völlige Öffnung unseres Areals wird nie möglich sein. Es geht zuletzt um Sicherheit.

Wo steht das Campus-Projekt?

Im Sommer 2022 wurde der Architekturwettbewerb abgeschlossen. Mitte 2023 haben wir grünes Licht von unserem Verwaltungsrat erhalten, jetzt in die Planungsphase einzutreten, die bis 2027 dauern soll. Die Bauphase wäre dann 2031 abgeschlossen. Für eine Realisierung des Campus gibt es aber noch mehrere Bedingungen. Wir müssen beispielsweise den Bebauungsplan finalisieren, und dann muss die Bauphase bewilligt werden.

Der Turm wird 2031 eingeweiht, wenn alles nach Plan läuft?

Ja. Vorausgesetzt die positiven Entscheide respektive Genehmigungen der Basler Behörden und unseres Verwaltungsrats, die ich nicht vorwegnehmen kann.

Das Gebäude am Aeschenplatz würden Sie spätestens dann aufgegeben?

Der Entscheid ist noch nicht gefällt. Wir prüfen verschiedene Optionen.

Der Jahreswirtschaftsbericht der BIZ thematisiert natürlich auch die Inflation. Ist deren Bekämpfung als Folge der Covid-Krise aus Ihrer Sicht ohne grössere volkswirtschaftliche Schäden gelungen?

Die Weltwirtschaft hat sich erstaunlich robust gezeigt. Vermutlich noch nie in der Geschichte wurde die Geldpolitik fast zur gleichen Zeit weltweit so stark gestrafft, um Preisstabilität wiederherzustellen. Zumindest in den vergangenen 50 Jahren war das nie der Fall. Da hätte man ein anderes Resultat erwarten können. Derzeit sieht es aber so aus, als dass die Weltwirtschaft die markanten Zinserhöhungen in fast allen Ländern gut verkraftet hat. Das stärkt uns in unserer Ansicht, dass eine sogenannte sanfte Landung gelingen kann.

Was meinen Sie mit sanfter Landung?

Dass Angebot und Nachfrage wieder im Einklang kommen, so dass die Inflation sinkt, ohne dass es aber dabei zu einer Rezession kommt. Diese Entwicklung müssen wir eng verfolgen, doch zurzeit sieht es positiv aus. Aber die letzten Meter auf dem Weg der globalen Inflationsbekämpfung könnten auch die schwierigsten sein. Es ist eine Sache, die Teuerung von zehn auf vier Prozent zu drücken. Die Inflation nochmals auf beispielsweise unter zwei Prozent zu bringen, könnte anspruchsvoll werden.

Welche weiteren Risiken sehen Sie?

Es gibt mehrere Faktoren. Es ist unklar, ob es bei der Reallohnentwicklung weiteren Nachholbedarf gibt. Hinzu kommen geopolitische Spannungen, die sich schockartig auf die Inflation auswirken können. Hohe Haushaltsdefizite können die Teuerung ebenfalls wieder antreiben. 

Das wäre dann eine harte Landung?

Derzeit sieht es nicht so aus, aber wir müssen dies genau beobachten. Die Auswirkungen der jüngsten Zinserhöhungen auf die Wirtschaft könnten sich mit Verzögerung doch als stärker erweisen. Entscheidend ist aber, dass die Zentralbanken dran bleiben, die Inflation auf ihr Zielniveau zu bringen. Ich bin überzeugt, dass diese sehr wachsam bleiben und ihr Mandat erfüllen werden. 

Wie beurteilen Sie die Verfassung des Schweizer Finanzplatzes nach dem Untergang der Credit Suisse?

Über die Schweiz möchte ich mich nicht im Detail äussern, mein Fokus bei der BIZ ist nun auf der globalen Währungs- und Finanzstabilität. Credit Suisse war die erste grosse Bank, die in Turbulenzen geriet. Auch international gesehen gerieten im vergangenen Jahr mehrere Banken in Schwierigkeiten. Das wirft neue Fragen bezüglich der Aufsicht auf. Da wird viel gearbeitet hier bei der BIZ durch den Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, um eine Bestandsaufnahme vorzunehmen und Standards festzulegen, die die Widerstandsfähigkeit des Bankensektors stärken. Eine Krise schafft Spielraum, um die internationale Regulierung so anzupassen, dass die Finanzstabilität trotz Risiken gesichert werden kann.

Agustín Carstens wird Mitte 2025 als Chef der BIZ altershalber abtreten. Können Sie sich vorstellen, seine Position zu übernehmen?

Das wird der Verwaltungsrat entscheiden müssen. Meistens wird ein Zentralbankpräsident zum Chef der BIZ ernannt. Der Nachfolgeprozess wurde allerdings noch gar nicht gestartet.