Agustín Carstens speaks about inflation, the Corona crisis and digital currencies

Interview (only available in German) with Mr Agustín Carstens, General Manager of the BIS, in trend magazine, conducted by Mr Franz Bauer on 15 February 2021 and published on 26 February.

BIS speech  | 
26 February 2021

EZB, FED und andere Zentralbanken fluten die Welt mit enormen Geldsummen. Müssen wir uns angesichts der zig Milliarden, die da in die Märkte fließen, nicht langsam vor einer massiven Geldentwertung fürchten? 

Das ist natürlich eine wichtige Frage. Was man jedenfalls sagen kann: Die Zentralbanken setzen ihre Instrumente im Bestreben ein, keine Inflation zu verursachen. Ohne die Interventionen der Zentralbanken hätte es jedenfalls eine viel höhere Volatilität an den Märkten gegeben. Und es gibt einfach eine höhere Nachfrage nach Liquidität, und diese Nachfrage wurde durch die Zentralbanken befriedigt. 

Aber wohin ist denn das ganze Geld geflossen?

Einen großen Teil davon finden sie in den Bilanzen der Geschäftsbanken, die es wiederum bei den Zentralbanken geparkt haben. Das liegt daran, dass die Risikobereitschaft der Geschäftsbanken abgenommen hat. 

Setzt das angesichts von Negativzinsen nicht die Profitabilität der Banken, die ja eine wichtige Rolle im Wirtschaftskreislauf spielen, unter enormen Druck?

Das ist nur in einigen Teilen der Welt ein Thema, keineswegs in allen. In den USA oder in Großbritannien gibt es gar keine Negativzinsen. Und in Europa hat die EZB einige Programme entwickelt, die Banken dazu ermutigen sollen, mehr Kredite zu vergeben. Aber es ist in der Tat ein schwieriger Balanceakt. Wir beobachten eine dramatische Verlangsamung wirtschaftlicher Aktivitäten, wir sehen einen sehr schwachen Arbeitsmarkt, zu niedrige Lohnsteigerungsraten. Entsprechend war es notwendig, dass die Geldpolitik eine sehr aktive Rolle übernimmt, um Impulse für die Wirtschaft zu schaffen. Die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Inflation waren einfach nicht vorhanden. Und wie man ja weiß, besteht das Problem ja eher darin, dass die Inflation zu niedrig ist.

Eben. Wie es aussieht, haben die Interventionen der Zentralbanken aber wenig geholfen, um das Inflationsziel von zwei Prozent zu erreichen.

Ohne die Maßnahmen der Zentralbanken hätten wir vielleicht eine Deflation. Und das wäre für die Wirtschaft noch viel belastender als es die relativ niedrige Inflation ist. Irgendwann werden die Maßnahmen der Zentralbanken Investitionen und Konsum beflügeln, dann wird es auch wieder höhere Inflationsraten geben. Zu diesem Zeitpunkt werden sich die Zentralbanken überlegen müssen, wie sie wieder auf die Bremse steigen. Aber das ist ein Thema für die Zukunft. 

Wie lang glauben Sie können die Zentralbanken noch ihre Anleihen-Ankaufsprogramme durchhalten?

Sicher solange es Nachfrage nach Liquidität gibt und solange stimulierende Maßnahmen notwendig sind. Und solange es keine Anzeichen für Inflation gibt – was derzeit der Fall ist. 

Aber haben wir nicht ohnedies schon eine Art Inflation? Wenn wir die Goldnotierung betrachten, die Immobilienpreise, die Aktienkurse und sogar den Bitcoin – das alles sind doch Anzeichen für etwas, das in der Finanzwelt als "asset inflation", also Wertinflation, bezeichnet wird? 

Natürlich kann die derzeitige aggressive Geldpolitik zu einer Preissteigerung in diesen Segmenten führen. Die Zentralbanken und die Finanzmarkt-Aufsichtsbehörden beobachten daher aktuelle Marktentwicklungen sehr genau.

Entstehen da nicht wieder Finanzblasen?

In manchen Fällen steigen die Assetpreise über die fundamentalen Bewertungen hinaus. Worauf die Zentralbanken vor allem achten müssen ist, dass es sich hier nicht um Übertreibungen in systemrelevanten Bereichen handelt. Bei einer Fortsetzung der unterstützenden Geldpolitik nehmen diese Risiken zu. Die Zentralbanken beobachten das sehr sorgfältig. Derzeit sehen wir keine Hinweise auf größere systemische Probleme. Die Geschäftsbanken sind robust, und das regulatorische Regelwerk sorgt dafür, dass die Risiken kontrollierbar bleiben.

Aber zeichnen sich da nicht doch schon wieder Blasen ab - etwa bei Immobilien oder dem Bitcoin?

Bei Immobilien, wo der Markt tatsächlich in vielen Teilen der Welt schon überhitzt ist, ist das eher auf das mangelnde Angebot, Bodenknappheit oder andere Einschränkungen zurückzuführen.

Und bei Bitcoin?

Das ist auch kein Phänomen, das auf die Geldpolitik zurückzuführen ist. 

Können Kryptowährungen die Stabilität des Geldsystems gefährden? 

Ich persönlich halte den Bitcoin und andere Kryptowährungen nicht für Geld. Diese sind Anlagemöglichkeiten, Assets. Sie beziehen ihren Wert zum Teil daraus, dass manche Menschen glauben, sie könnten damit gewisse Risiken absichern. Dieser Glaube verleiht ihnen einen Wert, allerdings einen sehr instabilen. Der Markt für Kryptowährungen ist illiquide, und er kann relativ leicht manipuliert werden. Wegen der großen Volatilität sind Kryptowährungen sowohl als Zahlungsmittel als auch zur Wertaufbewahrung ungeeignet. Sie sind daher keine Währungen, denn beides zählt zu den grundlegenden Anforderungen an eine solche. Kryptowährungen können eine gewisse Rolle als Spekulationsobjekt spielen, aber Zentralbanken fürchten nicht, dass sie die Stabilität klassischer Währungen gefährden.

Sollten die Regierungen Kryptowährungen regulieren oder verbieten? 

Wir sollten sie gleich behandeln wie alle anderen Anlagegüter. Das Problem der Kryptowährungen ist ihr dezentraler Handel, sie erleichtern die Umgehung der Bestimmungen gegen Geldwäsche, und erschweren die Bekämpfung der Terrorfinanzierung. Wir haben Regeln im Finanzsystem geschaffen, die Missbrauch verhindern. Diese sollten auch uneingeschränkt für Kryptowährungen gelten.

Aber es beschäftige sich ja auch schon Zentralbanken mit diesem Thema und denken über die Emission eigener Digitalwährung nach.

Ja. Digitale Zentralbankwährungen sind wertstabil und können eventuell eine Lücke füllen, die durch die Bedürfnisse der digitalen Welt entstanden sind – mit Bargeld kann man zum Beispiel nicht online zahlen, hier wären digitale Banknoten nützlich.

Einige Politiker fordern immer wieder die Abschaffung des Bargeldes. Ist das Ihrer Meinung nach eine gute Idee? 

Nein. Die Politik sollte den Menschen nicht aufzwingen, welche Form von Geld verwendet wird. Unsere Aufgabe ist es, der Gesellschaft jene Formen des Geldes zur Verfügung zu stellen, die sie verlangt. Auch falls die Zentralbanken in der Zukunft einmal eine Digitalwährung emittieren – wenn jemand Bargeld verwenden möchte, dann sollte er das auch können. Bargeld und digitale Zahlungsmöglichkeiten können problemlos nebeneinander existieren.

Zurück zur Coronakrise – können die Schulden, die Regierungen jetzt machen, je zurückgezahlt werden? Ist das nicht eine enorme Belastung für die kommenden Generationen?

Zunächst einmal: Diese Krise schafft eine außerordentlich Situation, in der die Regierungen in aller Welt autorisiert sind, zusätzliche Schulden aufzunehmen. Aber irgendwann in der Zukunft werden sie sich bemühen müssen, das wieder zurückzuzahlen. Natürlich muss man da eine relativ lange Frist einräumen, um diese zusätzliche Schuldenlast zu tilgen. Aber die Regierungen sind gut beraten, die Kredite zu bedienen, andernfalls laufen sie Gefahr, in Zukunft ihre Finanzierungsmöglichkeiten zu verlieren. Als Finanzminister meines Landes habe ich immer sehr darauf geachtet, dass Schulden immer zurückgezahlt werden können.

Wie lang werden die Zinsen noch so tief sein?

Das ist eine interessante Frage. Was man festgestellt hat ist, dass es einen langfristigen Trend zu niedrigeren Zinsen gibt. Das hat mehrere fundamentale Gründe, unter anderem demographische, die Globalisierung, und den Produktivitätsfortschritt. Die Zinsen werden wahrscheinlich noch einige Zeit niedrig bleiben, aber irgendwann werden sie wieder steigen. Wann das sein wird? Erst, wenn die Inflationserwartungen wieder steigen.

Schaffen die niedrigen Zinsen nicht auch Gefahren? Schwache Unternehmen können sich künstlich über Wasser halten – Stichwort "Zombifizierung". 

Ja, für so manche Bank ist es einfacher, notleidende Kredite nicht offenzulegen. Das betrifft eher kleinere und mittlere Unternehmen. Zombifizierung ist sicher ein Problem, aber die Geldpolitik ist da nicht die Hauptschuldige. 

Die niedrigen Zinsen bergen aber auch Gefahren für Privatanleger. Auf der Suche nach Rendite gehen sie oft Risiken ein, die sie eigentlich gar nicht richtig abschätzen können. Die Suche nach Rendite ist nicht zu übersehen, und risikofreie Anlagemöglichkeiten sind sehr limitiert und bringen nur niedrige Renditen. Hier müssen die Aufsichtsbehörden genau hinschauen. Aber die Zentralbanken wenden viel Zeit dafür auf, auch diese Risiken unter Kontrolle zu halten.