Nach dem LIBOR: eine Einführung zu den neuen Referenzsätzen

BIS Quarterly Review  | 
5. März 2019

Der Übergang von einem auf Interbank Offered Rates (IBOR) basierenden Referenzsatzsystem zu einem System mit neuen risikofreien Tageszinssätzen ist für die Märkte ein eigentlicher Paradigmenwechsel. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die neuen Referenzsätze und vergleicht einige ihrer wesentlichen Merkmale mit denen bestehender Referenzsätze. Die neuen risikofreien Tageszinssätze können als robuste und glaubwürdige Referenzsätze dienen, die auf Transaktionen an liquiden Märkten basieren. Allerdings haben sie den Nachteil, dass sie die marginalen Refinanzierungskosten von Banken über Tageszinsen hinaus nicht abbilden. Es besteht daher die Möglichkeit, dass sich in der "neuen Normalität" eine Koexistenz vieler verschiedener Referenzsätze herausbildet, die unterschiedliche Zwecke und Marktbedürfnisse erfüllen.

JEL-Klassifizierung: D47, E43, G21, G23.

Wichtigste Erkenntnisse

  • Die neuen risikofreien Tageszinssätze können als robuste und glaubwürdige Referenzsätze dienen, die zahlreiche Zwecke und Marktbedürfnisse erfüllen. Für die Zukunft wird erwartet, dass Kassa- und Derivatmärkte umstellen und hauptsächlich diese neuen Referenzsätze verwenden. Für die Kassamärkte wird die Umstellung eine große Herausforderung, da die Kontrakte oft maßgeschneidert sind und strukturell engere Verknüpfungen zu den IBOR-Sätzen bestehen.
  • Finanzintermediäre dürften zur Steuerung der Risiken in Bezug auf die Bilanzstruktur weiterhin auf eine Reihe von Referenzsätzen angewiesen sein, die ihre marginalen Refinanzierungskosten gut abbilden - etwas, was risikofreie Zinssätze oder an sie gekoppelte Terminzinssätze wohl nicht leisten können. Infolgedessen müssten risiko-freie Zinssätze womöglich durch eine Art kreditrisikosensitiver Referenzsätze ergänzt werden, ein Ansatz, der in einigen Ländern bereits verfolgt wird.
  • Es besteht die Möglichkeit, dass sich letztlich eine Koexistenz verschiedener Formen von Referenzsätzen herausbildet, die unterschiedliche Zwecke und Marktbedürfnisse erfüllen. Noch ist offen, ob eine eventuell daraus folgende Marktsegmentierung zu wesentlichen Ineffizienzen führt oder ob sich die "neue Normalität" vielmehr als optimale Lösung herausstellt.