Störungen an den Märkten

BIS Quarterly Review  |  September 2015  | 
13. September 2015

(Auszug S. 16-17 des Kapitels "Schwächen in aufstrebenden Volkswirtschaften rücken in den Vordergrund" des BIZ-Quartalsberichts vom September 2015) 

Im vergangenen Jahr wichen die Vermögenspreise an einigen Märkten durchweg von den Niveaus ab, die zu erwarten wären, wenn keine Arbitragemöglichkeiten bestünden. Solche Marktstörungen können vorkommen, wenn Investoren Handelsgelegenheiten nicht in Anspruch nehmen, weil sie mit Finanzierungsengpässen oder einer begrenzten Bilanzkapazität konfrontiert sind, wie dies häufig während Finanzkrisen der Fall ist. In letzter Zeit könnten in diesem Zusammenhang auch die geringere Marktliquidität und die von den Zentralbanken ergriffenen Massnahmen eine Rolle gespielt haben. Nachfolgend werden drei bekannte Beispiele solcher Marktstörungen erörtert. 

Erstens sind bei einer Reihe wichtiger Währungspaare vermehrt Abweichungen von der gedeckten Zinsparität zu beobachten, die in der Theorie durch risikolose Arbitrage eliminiert werden sollten. Besonders starke Abweichungen waren beim Schweizer Franken zu verzeichnen, nachdem die Schweizerische Nationalbank ihren Euro-Mindestkurs aufgab (Grafik B links). Bei gedeckter Zinsparität sollten u.a. die in den Preisen von Devisenswaps eingebetteten Termindiskontsätze den Zinsdifferenzen zwischen den jeweiligen Swapwährungen entsprechen. Diskrepanzen zwischen den Geldmarktsätzen und den in Devisenswaps eingebetteten Zinssätzen signalisieren häufig Finanzierungsschwierigkeiten in einer der beteiligten Währungen. Als beispielsweise die Märkte für unbesicherte US-Dollar-Finanzierungen während der Finanzkrise immer weniger funktionierten, finanzierten sich ausländische Banken mit grossem Finanzierungsbedarf in US-Dollar zunehmend über die Devisenswapmärkte, wodurch die aus Devisenswaps abgeleiteten US-Dollar-Zinssätze deutlich über die entsprechenden US-Dollar-LIBOR-Sätze anstiegen.1

Auch von der jüngsten Spreadausweitung zwischen den impliziten US-Dollar-Zinssätzen am Devisenswapmarkt und den entsprechenden Sätzen am LIBOR-Markt haben tendenziell die Geschäftsparteien profitiert, die US-Dollar lieferten. Diese Entwicklung dürfte aber eher mit Ungleichgewichten an den Derivatmärkten zusammenhängen als mit Finanzierungsschwierigkeiten in der Art, wie sie auf dem Höhepunkt der Krise zu verzeichnen gewesen waren. Auf der Nachfrageseite könnten Institute wie z.B. Pensionsfonds und Versicherungsgesellschaften ausserhalb der USA - die über umfangreiche Aktivpositionen in US-Dollar verfügen, deren Passiva aber vorwiegend in ihrer Landeswährung denominiert sind - ihre Bestände an Dollaranleihen und ihre Absicherungsgeschäfte deutlich ausgeweitet haben. Der Absicherungsbedarf dieser Akteure könnte sich durch den jüngsten Anstieg der Volatilität an den Devisenmärkten erhöht haben (Grafik 1 rechts). Was die Angebotsseite betrifft, so ist die Kapazität der Finanzintermediäre zur Bereitstellung von Absicherungsinstrumenten wie Devisenswaps nach wie vor begrenzt, weil sie ihren Fremdkapitalanteil seit der Finanzkrise deutlich zurückgeführt haben. Daher sind sie nur gegen beträchtliche Prämien bereit, ihre Bilanz so umzugestalten, dass sie der gestiegenen Nachfrage nach US-Dollar-Swaps nachkommen können.

Diese Nachfrageungleichgewichte an den Devisenswapmärkten verstärken sich noch dadurch, dass die Kreditnehmer auf die veränderten Kosten der Finanzierung in US-Dollar im Vergleich zu anderen Währungen reagieren. Im Zuge der umfangreichen unkonventionellen Massnahmen, die von wichtigen Zentralbanken ausserhalb der USA zur geldpolitischen Lockerung ergriffen wurden, haben sich die Finanzierungsbedingungen in den wichtigsten Fremdwährungen deutlich verbessert. In der Folge haben US-Unternehmen ihren Schuldtitelabsatz in Fremdwährungen, u.a. in Euro, ausgeweitet (Grafik 9 rechts), wodurch sich die Nachfrage nach Swaps gegen US-Dollar zusätzlich erhöht haben dürfte.


Ein zweites Marktsegment, in dem Verwerfungen zu beobachten waren, ist der Markt für inflationsindexierte Anleihen. Starke Schwankungen bei den Breakeven-Inflationsraten im Euro-Raum (d.h. den Inflationsraten, bei denen die Gesamtrenditen inflationsgebundener Anleihen denen vergleichbarer Nominalanleihen entsprächen) haben die Bedeutung von Liquiditätsprämien für indexierte Instrumente verdeutlicht. Da die nominale Renditenstrukturkurve Informationen über Inflationserwartungen und Risikoprämien liefert, können nominale Zinssätze zur Untersuchung von Veränderungen der Breakeven-Inflation herangezogen werden. Die enge Beziehung zwischen diesen beiden Grössen zerbrach Ende 2014 (Grafik B Mitte), als die aus inflationsindexierten Anleihen abgeleiteten 5-jährigen Breakeven-Raten eine deutlich niedrigere Inflation implizierten als die ausschliesslich auf den Nominalrenditen basierende Messgrösse. Zugleich vermeldeten Schuldenverwalter einen rückläufigen Absatz indexierter Anleihen, was darauf hindeutet, dass steigende Liquiditätsprämien bei indexierten Anleihen deren Renditen in die Höhe getrieben und die gemessenen Breakeven-Inflationsraten entsprechend gedämpft hatten. Als die EZB ihr erweitertes Programm zum Ankauf von Vermögenswerten - das sich ausdrücklich auch auf indexierte Anleihen erstreckt - ankündigte und mit dessen Umsetzung begann, erholten sich die Breakeven-Inflationsraten kräftig und schossen möglichweise sogar übermässig in die Höhe. Die Massnahmen der EZB scheinen also nach Auffassung der Marktteilnehmer eine deutliche Entspannung der Liquiditätslage im indexgebundenen Marktsegment bewirkt zu haben. Infolgedessen ging die von den Investoren geforderte Liquiditätsprämie stark zurück. Dies legt nahe, dass die Breakeven-Inflationsraten im Euro-Raum in dieser Phase nicht so sehr durch veränderte Inflationserwartungen, sondern vielmehr durch Schwankungen der Liquiditätsprämie massgeblich beeinflusst wurden (Kasten 1 geht näher auf die Liquiditätsentwicklung an Anleihemärkten ein, veranschaulicht am Beispiel des deutschen Staatsanleihemarktes).

Drittens haben die von mehreren europäischen Zentralbanken in den Jahren 2014 und 2015 eingeführten negativen Leitzinsen in einigen Marktsegmenten zu Verzerrungen geführt, und zwar vor allem dort, wo auch Nichtbanken aktiv waren. Die Banken in den betroffenen Ländern zeigen sich bislang zögerlich, die negativen Zinssätze an ihre privaten Einleger weiterzureichen. Dadurch sind sie höheren Refinanzierungskosten und einem zusätzlichen Zinsrisiko ausgesetzt. Daten für die Schweiz lassen darauf schliessen, dass die Banken ihre entgangenen Einnahmen und höheren Absicherungskosten in die Konditionen für neue Hypotheken eingepreist haben. Entsprechend sind die Zinssätze für 10-jährige Festzinshypotheken in der Schweiz gestiegen, obgleich die Geldmarktsätze weiter ins Negative gerutscht sind und auch die Staatsanleiherenditen nachgegeben haben (Grafik B rechts).


1 Siehe beispielsweise N. Baba und F. Packer, „From turmoil to crisis: dislocations in the FX swap market before and after the failure of Lehman Brothers", Journal of International Money and Finance, Nr. 28(8), 2009, S. 1350-1374.