Was sagt die Sektorzuordnung von Offshore-Niederlassungen über das Risikoprofil aus?

BIS Quarterly Review  |  December 2014  | 
7. Dezember 2014

(Auszug S. 10-12 des Kapitels "Wichtigste Erkenntnisse aus den internationalen BIZ-Statistiken" des BIZ-Quartalsberichts vom Dezember 2014)

Rund die Hälfte aller umlaufenden internationalen Schuldtitel von Nichtfinanzunternehmen mit Hauptsitz in wichtigen aufstrebenden Volkswirtschaften sind über ihre Auslandstöchter platziert worden, wobei allerdings deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern bestehen (Grafik A links). Diese Schuldtitel werden in der auf dem Sitzland basierenden Statistik zum internationalen Schuldtitelabsatz nicht erfasst, die somit ein allzu positives Bild der Verschuldung von Nichtfinanzunternehmen liefert.1 Je nachdem, ob die Schuldtitel von Auslandstöchtern emittiert wurden, die selbst richtige Unternehmen mit eigener Geschäftstätigkeit im Sitzland sind, oder ob es sich lediglich um ein Vehikel zur Finanzierung des Mutterunternehmens handelt, dürfte sich jedoch ein sehr unterschiedliches Risikoprofil ergeben.2 Leider sind auf aggregierter Ebene keine Daten zur gesamten Geschäftstätigkeit von Offshore-Niederlassungen verfügbar. Ihre Sektorzuordnung kann jedoch wichtige Hinweise liefern, denn im Gegensatz zu reinen Finanztöchtern dürften Nichtfinanztöchter von Nichtfinanzunternehmen eher andere Geschäfte tätigen, als Finanzmittel für die Muttergesellschaft zu beschaffen. Wenn dies der Fall ist, dann lassen sich aus der Sektorzuordnung der emittierenden Niederlassungen zumindest einige Schlüsse über das Risikoprofil der an Offshore-Märkten abgesetzten Schuldtitel ziehen.3

Die Sektorzuordnung von Auslandstöchtern ist je nach Land sehr unterschiedlich, selbst bei Ländern mit vergleichbaren Offshore-Anteilen. So tätigen Unternehmen mit Hauptsitz in Indien mehr als 80% ihrer Offshore- Platzierungen über Nichtfinanztöchter (Grafik A rechts). Dabei handelt es sich zum Grossteil um Schuldtitel global tätiger Unternehmen in der Metall- und Stahlindustrie. Auch chinesische Unternehmen emittieren in grossem Umfang Anleihen durch ausländische Nichtfinanztöchter; auf diese entfällt deutlich mehr als die Hälfte des gesamten internationalen Schuldtitelabsatzes von Unternehmen mit Hauptsitz in China. Demgegenüber emittieren brasilianische und koreanische Firmen internationale Schuldtitel überwiegend durch Finanztöchter. In welchem Masse internationale Schuldtitel durch Finanz- bzw. Nichtfinanztöchter begeben werden, hängt auch von der Branche ab. Beispielsweise emittieren Unternehmen der Öl- und Gasindustrie internationale Anleihen fast ausschliesslich durch Finanztöchter (Grafik B), was darauf hindeutet, dass die Einnahmen überwiegend als Finanzierungsmittel an das Mutterunternehmen fliessen. In den meisten anderen Branchen sind die Anteile der über Finanz- und Nichtfinanztöchter platzierten Schuldtitel mehr oder weniger vergleichbar.

In welchem Masse internationale Schuldtitel durch Finanz- bzw. Nichtfinanztöchter begeben werden, hängt auch von der Branche ab. Beispielsweise emittieren Unternehmen der Öl- und Gasindustrie internationale Anleihen fast ausschliesslich durch Finanztöchter (Grafik B), was darauf hindeutet, dass die Einnahmen überwiegend als Finanzierungsmittel an das Mutterunternehmen fliessen. In den meisten anderen Branchen sind die Anteile der über Finanz- und Nichtfinanztöchter platzierten Schuldtitel mehr oder weniger vergleichbar.

Die Unterscheidung nach Finanz- bzw. Nichtfinanzsektor hat als Näherungswert für das Risikoprofil allerdings ihre Grenzen. Dies wird z.B. im Immobiliensektor deutlich: Hier sind es zum grössten Teil Unternehmen mit Hauptsitz in China, die internationale Schuldtitel begeben, und zwar in erster Linie über Nichtfinanztöchter. Dies könnte damit zusammenhängen, dass Nichtfinanztöchter Immobilien als Sicherheiten halten können. Diese Immobilien befinden sich aber nicht zwingend im Emissionsland, sondern können ebenso gut in China oder einem Drittland sein. Tatsächlich erfolgt die Emission internationaler Schuldtitel im Immobiliensektor überwiegend durch Unternehmen mit Sitz in Offshore-Finanzzentren wie den Kaimaninseln (Grafik B), deren Immobilienmärkte verglichen mit dem ausstehenden Anleihevolumen sehr klein sind. 

 

1 Internationale Schuldtitel sind Schuldtitel, die in einem anderen Land als dem Sitzland des Emittenten begeben werden. In dieser Analyse bleibt der Inlandsabsatz, d.h. Platzierungen im Sitzland des Emittenten, unberücksichtigt. Frühere Untersuchungen zum Schuldtitelabsatz über Offshore-Finanzzentren finden sich in R. McCauley, C. Upper und A. Villar, „Absatz von in Offshore-Finanzzentren platzierten Schuldtiteln aufstrebender Volkswirtschaften" in Kasten 2 des Kapitels „Wichtigste Erkenntnisse aus den internationalen BIZ-Statistiken", BIZ-Quartalsbericht, September 2013, sowie in B. Gruić, M. Hattori und H. S. Shin, „Jüngste Veränderungen der globalen Kreditintermediation und potenzielle Risiken" im Kasten am Schluss des Kapitels „Wichtigste Erkenntnisse aus den internationalen BIZ-Statistiken", BIZ-Quartalsbericht, September 2014. Für eine Erörterung, wie sich die Rückführung solcher Mittel in der Zahlungsbilanzstatistik äussert, siehe S. Avdjiev, M. Chui und H. S. Shin, „Non-financial corporations from emerging market economies and capital flows" (nur in Englisch verfügbar), BIZ-Quartalsbericht, Dezember 2014.

2 Eine Untersuchung der Risiken, die mit dem internationalen Schuldtitelabsatz einhergehen, findet sich in M. Chui, I. Fender und V. Sushko, „Risks related to EME corporate balance sheets: the role of leverage and currency mismatch" (nur in Englisch verfügbar), BIZ-Quartalsbericht, September 2014.

3 In einigen Fällen finanzieren sich globale Unternehmen über einen Pool ausländischer Finanztöchter, die an unterschiedlichen nationalen Märkten agieren. Durch eine solche Bündelung des Finanzierungsvolumens für mehrere Geschäftseinheiten lassen sich bei der Emission Skalenvorteile erzielen, und die Erlöse können über die verschiedenen nationalen Märkte verteilt werden. Die von ausländischen Anlegern gehaltenen Bestände an solchen Schuldtiteln werden in der Statistik zum internationalen Schuldtitelabsatz nicht unter dem Sitzland des Mutterunternehmens erfasst.