Behandlung des Länderrisikos in der Basler Eigenkapitalregelung

(Auszug S. 13-14 des Kapitels "Niedrige Zinssätze beflügeln Kreditmärkte - Banken verlieren an Boden" des BIZ-Quartalsberichts vom Dezember 2013)

Bisweilen wird behauptet, die Basler Eigenkapitalstandards sähen für Bankforderungen an Staaten ein Risikogewicht von null vor. Das ist nicht korrekt. In Basel II und Basel III wird vielmehr eine Eigenkapitalunterlegung gefordert, die das zugrundeliegende Kreditrisiko widerspiegelt. Dies entspricht dem Ziel der Gewährleistung von Risikosensitivität und ist der Grundgedanke der Rahmenregelung.

In den meisten Ländern werden Forderungen an Staaten1 im Anlagebuch gemäss den Basel-II-Vorschriften behandelt, die durch  Basel III nicht geändert worden sind.2 Demnach können Länder zwischen dem auf externen Kreditratings basierenden Standardansatz und dem auf bankeigenen internen Ratings basierenden Ansatz (IRB-Ansatz) wählen, oder sie können beide Ansätze gemeinsam anwenden.

International tätige Banken entscheiden sich überwiegend für den IRB-Ansatz. Dieser wurde mit Blick auf die weltweit grössten Institute entworfen, zu denen auch die global systemrelevanten Banken (G-SIB) zählen. Nach dem IRB-Ansatz müssen Banken das Kreditrisiko einzelner Staaten anhand einer granularen Ratingskala ermitteln, wobei für jeden Staat ein individuelles Risikogewicht festzusetzen ist, das allen relevanten Risikodifferenzen Rechnung trägt. Die Risikogewichte werden in erster Linie anhand bankeigener Schätzungen der Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) und der Verlustausfallquote (LGD) der betreffenden Engagements bestimmt. Der IRB-Ansatz schreibt keinen Mindestwert für die PD bzw. LGD von Forderungen an Staaten vor, legt aber detaillierte qualitative Mindest­anforderungen fest. Insbesondere wird eine „klare Differenzierung" zwischen den Risiken gefordert.

Zur Veranschaulichung sind in Tabelle A die Risikogewichte aufgezeigt, die gemäss dem IRB-Basisansatz für verschiedene PD anzusetzen sind. Im Gegensatz zum fortgeschrittenen IRB-Ansatz können Banken beim IRB-Basisansatz zwar die PD anhand bankeigener Risikobeurteilungen festsetzen, für die LGD ist aber eine vorgegebene Standardquote von 45% zu verwenden. Die PD unterliegen der Validierung durch die Aufsichtsinstanz. Eine Datenerhebung des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht unter 201 grossen Banken ergab für Forderungen an Staaten, die nach dem IRB-Ansatz behandelt werden, eine gewichtete mittlere PD von 0,1%.3

Die Basler Standards beruhen auf der Prämisse, dass Banken den IRB-Ansatz konzernweit und über alle Forderungsklassen hinweg anwenden. Zugleich wird anerkannt, dass es für manche Banken aus verschiedenen Gründen nicht praktikabel sein könnte, diesen Ansatz in allen Forderungsklassen und Geschäftseinheiten gleichzeitig umzusetzen. Daher ist vorgesehen, dass die nationale Bankenaufsicht den Banken eine abgestufte Einführung des IRB-Ansatzes innerhalb ihres Konzerns gestatten kann. Darüber hinaus kann für bestimmte Engagements unter strengen Voraussetzungen auf unbestimmte Zeit der Standardansatz beibehalten werden. Dies gilt jedoch ausschliesslich für Engagements in unbedeutenden Geschäftseinheiten bzw. in Forderungsklassen, die in Bezug auf ihre Grösse und ihr inhärentes Risikoprofil als unwesentlich zu bezeichnen sind. Es wird also erwartet, dass Banken, die sich für den IRB-Ansatz entscheiden, diesen letztlich für alle wesentlichen Engagements verwenden.

Auch der Standardansatz sieht grundsätzlich eine positive Risikogewichtung vor. Wie in Tabelle B ersichtlich, erhalten alle Engagements bis auf Forderungen höchster Qualität (Ratingkategorien AAA bis AA) auf der Grundlage ihrer externen Kreditratings eine positive Risikogewichtung. Allerdings können die nationalen Aufsichtsinstanzen nach eigenem Ermessen geringere Risikogewichte zulassen, wenn die Forderungen auf die Währung des betreffenden Landes lauten und in dieser refinanziert werden.4

Die Basler Rahmenregelung wird in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich angewendet.5 In den USA beispielsweise müssen international tätige Banken den IRB-Ansatz übernehmen; derzeit läuft eine Beobachtungs­phase, und der Umsetzungsprozess ist noch nicht abgeschlossen. Infolgedessen verwenden die Banken vorläufig weiterhin die nationale Version des Standardansatzes. In der Europäischen Union (EU) wurde den nationalen Aufsichtsinstanzen die Möglichkeit eingeräumt, den Banken, die sich für den IRB-Ansatz entscheiden, eine dauerhafte Beibehaltung des Standardansatzes für die Risikogewichtung ihrer Forderungen an Staaten zu gestatten. Beim Standardansatz wiederum haben die EU-Instanzen nicht nur für diejenigen staatlichen Schuldtitel, die auf die Währung des betreffenden Mitgliedstaats lauten und in dieser refinanziert sind, sondern auch für entsprechende Forderungen, die auf die Währung eines anderen Mitgliedstaates lauten und in dieser refinanziert sind, ein Risikogewicht von 0% festgelegt.6

Aufgrund dieser Anwendungsdifferenzen gibt es erhebliche Unterschiede im Hinblick auf die Risikogewichte, die von den grossen internationalen Banken, einschliesslich der global systemrelevanten Institute, angesetzt werden. Tatsächlich hängen die Divergenzen bei den risikogewichteten Aktiva der Banken wesentlich mit der uneinheitlichen Risikogewichtung von Forderungen an Staaten zusammen. Die nationalen Instanzen sind dafür verantwortlich, den IRB-Ansatz so umzusetzen, dass er der Basler Rahmenregelung entspricht und dass eine angemessene Risiko­gewichtung staatlicher Schuldtitel erreicht wird.

 

1 Forderungen an Staaten umfassen Kredite an den Zentralstaat und die Zentralbank.

2 Nach Basel I wurde bei der Risikogewichtung von Länderrisiken zwischen OECD-Mitgliedstaaten und Nicht-OECD-Staaten unterschieden. Dabei erhielten Schuldtitel von OECD-Mitgliedstaaten ein Risikogewicht von 0% und Forderungen an Nicht-OECD-Staaten ein Risikogewicht von 100%. In einigen Ländern gilt das Basel-I-Regelwerk weiterhin als Mindeststandard.

3 Siehe Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Regulatory consistency assessment programme (RCAP) - Analysis of risk-weighted assets for credit risk in the banking book, Juli 2013.

4 Wenn von dieser Ermessens­entscheidung Gebrauch gemacht wird, können auch andere nationale Aufsichtsinstanzen ihren Banken zur Gewährleistung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen erlauben, für Forderungen an den betreffenden Staat unter denselben Voraussetzungen - d.h., die Forderungen lauten auf die Währung des Staates und sind in dieser refinanziert - das gleiche Risikogewicht anzuwenden.

5 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Bericht über die Fortschritte bei der Umsetzung der Basler Rahmenregelungen, Oktober 2013.

6 Diese Bestimmung wird von 2017 bis 2020 schrittweise ausser Kraft gesetzt. Die neue, auf der EU-Eigenkapitalrichtlinie IV (Capital Requirements Directive IV, CRD IV) basierende Rahmenregelung tritt im Januar 2014 in Kraft und ersetzt die hier beschriebene Behandlung nach der CRD III. Neu wird die Risikogewichtung von Forderungen an Staaten nach Ablauf der Übergangsphase auf den Beurteilungen von Ratingagenturen basieren.