Höhere Bestände an öffentlichen Schuldtiteln der USA in staatlichen Portfolios

(Auszug der Seiten 12-13 vom BIS Quarterly Review, Juni 2010)

Ende März 2010 erwarb die Federal Reserve letztmals hypothekenunterlegte Anleihen (Mortgage-backed-Securities) von staatsnahen US-Unternehmen (Agencies) im Rahmen ihres umfangreichen Ankaufprogramms, das damit reibungslos beendet wurde. Das Ende der Ankäufe bedeutet jedoch nicht, dass die Anleiherenditen nun nicht mehr durch die Bestände dieser Papiere gedämpft werden. Gagnon et al. (2010) 1 argumentieren, dass in dieser Hinsicht nicht das Volumen der Ankäufe, sondern vielmehr die Bestände der Federal Reserve an „öffentlichen" Schuldtiteln, d.h. an US-Schatztiteln und Agency-Schuldpapieren, massgeblich sind. In diesem Sinne könnten sich entsprechende Bestände staatlicher Portfoliomanager ausserhalb der USA in ähnlicher Weise auf die Renditen auswirken. Insgesamt befinden sich über 40% aller US-Schatzanleihen und Agency-Schuldtitel in öffentlicher Hand, sei es in den USA oder in anderen Ländern. Seit Mitte 2008 dürfte mehr als die Hälfte des Nettoabsatzes in staatlichen Portfolios gelandet sein. Durationsgewichtet fällt diese Zunahme noch höher aus, sodass etwaige Auswirkungen auf die langfristigen Renditen verstärkt werden.

Die Beweggründe, aus denen die Bestände dieser Papiere in Portfolios der öffentlichen Hand aufgestockt wurden, sind freilich unterschiedlich. Die Federal Reserve kaufte zusammen mit dem US-Finanzministerium Anleihen an, um die Hypothekenzinsen und andere langfristige Zinsen für private Kreditnehmer zu senken. Diese politische Motivation dürfte jedoch nach und nach in den Hintergrund treten und sich umkehren. Tatsächlich wurde laut dem Protokoll der Sitzung des Federal-Reserve-Offenmarktausschusses am 27./28. April 2010 mehrheitlich für ein 5-jähriges Anleiheverkaufsprogramm gestimmt, wobei die Verkäufe erst erfolgen sollen, nachdem der Tagesgeldzielsatz schliesslich erhöht worden ist. Ausländische staatliche Halter haben andere Beweggründe für den Erwerb von öffentlichen US-Schuldtiteln und verhalten sich im Verlauf des Zinszyklus in der Regel anders. Sie bauen ihre Bestände an diesen Papieren aus unterschiedlichsten Gründen auf und ab, z.B. im Rahmen von Bemühungen zur Abwendung von Währungsaufwertungen oder -abwertungen und als Absicherung gegen eine plötzliche Devisennachfrage. Während viele Zentralbanken ihre Devisenreserven im Verlauf der Krise einsetzten, um ihre Landeswährung zu stützen und den privaten Sektor mit Dollarliquidität zu versorgen, wuchsen gemäss Meldungen die Bestände öffentlicher US-Schuldtitel in ausländischen staatlichen Portfolios in den Berichtsjahren der Erhebungen vom Juni 2008 und Juni 2009.

Insgesamt hat sich der Anteil der öffentlichen US-Schuldtitel, die in staatlichen Portfolios gehalten werden, erhöht. Vor Beginn der Krise befand sich rund ein Drittel der gesamten öffentlichen Schuldtitel der USA, hauptsächlich US-Schatzanleihen, in den Portfolios ausländischer staatlicher Stellen und der Federal Reserve. Seither sind diese Bestände auf über 40% angestiegen. Augenfällig sind dabei vor allem die grösseren Bestände, die vom öffentlichen Sektor der USA selbst gehalten werden; sie erhöhten sich um 7 Prozentpunkte auf rund 20%. Dieser Anstieg entfiel überwiegend auf den Ankauf von Agency-Schuldtiteln (vorwiegend Mortgage-backed-Securities) im Wert von mehr als $ 1,4 Bio. durch die Federal Reserve. Die Bestände der Federal Reserve an US-Schatztiteln hingegen wirkten sich in diesem Zeitraum per saldo kaum aus. Der Anteil ausländischer staatlicher Stellen verharrte relativ stabil im niedrigen 20%-Bereich; ein Rückgang bei den Agency-Schuldtiteln wurde offenbar durch eine Aufstockung bei den US-Schatztiteln mehr als ausgeglichen. 2

Der grössere Anteil staatlicher US-Schuldtitel in öffentlicher Hand gibt die Verschiebung der Fälligkeitsstruktur nur unzureichend wieder. Gemäss der jüngsten Erhebung zu den US-Schatzpapierbeständen ausländischer staatlicher Stellen hat die Hälfte dieser Papiere eine Restlaufzeit von drei Jahren oder weniger. Die durchschnittliche Restlaufzeit liegt bei 48 Monaten, was etwas weniger ist als für alle US-Schatzpapiere zusammen. Während die Federal Reserve bei ihren Beständen an US-Schatztiteln bislang traditionell auf Marktneutralität setzte, waren ihre jüngsten Anleiheankäufe stärker auf Wertpapiere mit längerer Laufzeit bzw. Duration ausgerichtet, um den Portfolio-Balance-Effekt zu verstärken und die längerfristigen Zinssätze zu senken (s. Gagnon et al., 2010, S. 10). So lag der Schwerpunkt der Ankäufe von Mortgage-backed-Securities auf in jüngster Zeit begebenen Papieren mit einer Verzinsung von 4% oder 4,5% und besonders langer Laufzeit.

Insgesamt ergeben die verfügbaren Daten, dass die umfangreichen Ankäufe von Agency-Papieren durch staatliche Stellen der USA den Anteil der rapide steigenden Staatsverschuldung der USA, der sich relativ konzentriert in öffentlicher Hand befindet, auf über zwei Fünftel erhöht haben. 3 Ein grosser Teil des massiven Anstiegs der US-Staatsverschuldung seit 2008 wird somit in Portfolios der öffentlichen Hand gehalten.


1 J. Gagnon, M. Raskin, J. Remache und B. Sack, „Large-scale asset purchases by the Federal Reserve: did they work?", Federal Reserve Bank of New York, Staff Reports, Nr. 441, März 2010.
2 Die Tabelle basiert vorwiegend auf jährlichen Erhebungen zu den Beständen, die in Zusammenarbeit mit Verwahrstellen durchgeführt wurden, um eine Aufschlüsselung der Bestände ausländischer öffentlicher Stellen zu erhalten, die sich aus den monatlichen Transaktionsdaten nicht herauslesen lassen. In den jüngsten Erhebungen vom Juni 2007, 2008 und 2009 erhöhten sich die geschätzten Bestände in ausländischen staatlichen Portfolios um 13%, 5% bzw. 17%. Daher sind die Schätzungen für Dezember 2009 und März 2010 vermutlich eher zu tief angesetzt.
3 Der Erwerb staatlicher Schuldtitel der USA durch die öffentliche Hand des Landes könnte auch als reiner Asset-Swap betrachtet werden, wie dies beim Erwerb von Agency-Papieren durch das US-Finanzministerium mit dem Erlös aus dem Verkauf von US-Schatzanleihen der Fall war. Entsprechend könnten die Verbindlichkeiten der Federal Reserve gegenüber Banken unter der Staatsverschuldung erfasst werden (wobei die Forderungen der Banken gegenüber der Federal Reserve als enge Substitute für ihre Bestände an Schatzanleihen betrachtet werden). In der Tabelle müsste die öffentliche Verschuldung in diesem Fall um den nachrichtlichen Posten „Guthaben der Banken bei der Federal Reserve" ergänzt werden. Dadurch fiele der Anstieg der US-Staatsverschuldung seit Mitte 2008 höher aus, der Anteil der Bestände in öffentlicher Hand hingegen etwas niedriger. Auch bei dieser Betrachtungsweise befänden sich jedoch die in grossem Umfang neu emittierten Staatsschulden der USA überwiegend in öffentlicher Hand.