Überblick über die Kapitel zur Wirtschaftsentwicklung

Kapitel I: Wenn die Zukunft zur Gegenwart wird

Gängigen Messgrößen zufolge steht die Weltwirtschaft nicht so schlecht da, wie zuweilen behauptet wird. Das globale Wachstum erfüllt immer noch nicht die Erwartungen, entspricht aber den historischen Durchschnittswerten der Vorkrisenzeit. Auch der Rückgang der Arbeitslosigkeit setzt sich fort. Weniger zuversichtlich stimmt das längerfristige Umfeld, das durch eine "riskante Dreierkonstellation" aus ungewöhnlich niedrigem Produktivitätswachstum, beispiellos hohen globalen Schuldenständen und einem äußerst engen wirtschaftspolitischen Handlungsspielraum geprägt ist. Ein deutliches Symptom dieser unbehaglichen Konstellation sind die außerordentlich und anhaltend niedrigen Zinsen, die im letzten Jahr sogar noch weiter gesunken sind.

Das Berichtsjahr war gekennzeichnet von ersten Anpassungen bei den Faktoren, die die Weltwirtschaft beeinflussen. Die globalen Liquiditätsbedingungen verschärften sich allmählich und der US-Dollar wertete auf, was teilweise den geldpolitischen Aussichten in den USA geschuldet war. In einigen aufstrebenden Volkswirtschaften steuerte der Finanzzyklus auf seinen Höhepunkt zu oder kehrte sich allmählich um. Gleichzeitig fielen die Rohstoffpreise, insbesondere der Ölpreis, weiter. Globale Preisentwicklungen und Kapitalströme kehrten sich im ersten Halbjahr 2016 jedoch teilweise um - ungeachtet der weiterbestehenden grundlegenden Anfälligkeiten.

Eine wirtschaftspolitische Neuausrichtung ist dringend nötig, damit der Übergang zu einem robusteren und nachhaltigen Wachstum gelingt. Wesentlich beigetragen zur gegenwärtigen Malaise haben sowohl das Unvermögen, enorm schädliche finanzielle Auf- und Abschwünge in den Griff zu bekommen, als auch das daraus entstandene schuldenfinanzierte Wachstumsmodell. Eine Entlastung der Geldpolitik, der viel zu lange zu viel aufgebürdet wurde, ist unerlässlich. Dies bedeutet, die Reformen des Finanzsystems abzuschließen, den verfügbaren fiskalpolitischen Spielraum sorgfältig zu nutzen und gleichzeitig die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sicherzustellen. Vor allem aber bedeutet es, Strukturreformen voranzutreiben. All diese Maßnahmen sollten Teil längerfristiger Anstrengungen sein, ein wirksames makrofinanzielles Stabilitätskonzept auszuarbeiten, das es erlaubt, den Finanzzyklus besser in den Griff zu bekommen. Dabei ist eine konsequent langfristige Ausrichtung von größter Bedeutung. Es sind dringend Maßnahmen erforderlich, die wir nicht wieder bereuen, wenn die Zukunft zur Gegenwart wird.

Kapitel II: Globale Finanzmärkte: zwischen angespannter Ruhe und Turbulenzen

Im vergangenen Jahr wechselten sich an den Finanzmärkten Phasen von Ruhe und Turbulenzen ab, während die Preise an den wichtigsten Vermögensmärkten auf geldpolitische Entwicklungen weiterhin sensibel reagierten. Zunehmende Anzeichen einer Wachstumsabschwächung in den wichtigsten aufstrebenden Volkswirtschaften, insbesondere in China, wurden von den Anlegern ebenfalls sorgfältig beobachtet. Die Anleiherenditen in fortgeschrittenen Volkswirtschaften sanken weiter und erreichten vielerorts historische Tiefststände, während der Anteil ausstehender Staatsanleihen mit negativen Renditen einen neuen Rekordstand verzeichnete. Die niedrigen Renditen waren Ausdruck niedriger Laufzeitprämien sowie einer Abwärtsbewegung der erwarteten künftigen Kurzfristzinsen. In ihrem Renditestreben wandten sich die Anleger risikoreicheren Marktsegmenten zu und stützten damit die Vermögenspreise trotz ihrer bereits hohen Bewertungen. Skepsis bezüglich dieser Bewertungen sowie Bedenken hinsichtlich der weltweiten Wachstumsaussichten und der Wirksamkeit der Geldpolitik bei der Unterstützung des Wachstums führten wiederholt zu Verkaufswellen und Volatilitätsschüben. Die Märkte zeigten sich anfällig für eine scharfe Trendwende bei den hohen Bewertungen. Einige ungewöhnlich starke Ausschläge der Anleihekurse deuten auf Veränderungen der Marktliquidität hin, allerdings dürfte eine niedrigere Verschuldung bei Anspannungen für robustere Marktliquidität sorgen. An den Finanzmärkten waren auch anhaltende Marktanomalien zu beobachten, die sich weiter ausbreiteten, darunter die Ausweitung der Cross-Currency-Basis und negative Spreads von US-Dollar-Zinsswaps. Diese Anomalien waren teilweise Ausdruck marktspezifischer Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage, die bisweilen durch die Wirkung von Zentralbankmaßnahmen auf die Nachfrage nach Absicherungen verstärkt wurden. Sie waren aber auch auf ein verändertes Verhalten großer Handelsinstitute zurückzuführen, welche die Anomalien nun weniger schnell durch Arbitragegeschäfte eliminieren.

Kapitel III: Die Weltwirtschaft: eine Anpassung im Gange?

Im Berichtsjahr lag das globale BIP-Wachstum pro Person im erwerbsfähigen Alter leicht über seinem historischen Durchschnitt, und die Arbeitslosenquoten waren im Allgemeinen rückläufig. Die Wahrnehmung der Wirtschaftslage wurde jedoch durch weitere Rückgänge der Rohstoffpreise, hohe Wechselkursschwankungen und ein weltweit unter den Erwartungen liegendes Gesamtwachstum geprägt. Diese Entwicklungen deuten auf eine Anpassung der wirtschaftlichen und finanziellen Kräfte hin, die sich über viele Jahre hinweg entfaltet haben. In den rohstoffexportierenden aufstrebenden Volkswirtschaften verstärkte der Abschwung im inländischen Finanzzyklus zumeist den Verfall der Exportpreise und die Währungsabwertungen, während sich gleichzeitig die Wirtschaftslage verschlechterte. Im Allgemeinen verschärfte der restriktivere Zugang zu Dollarmitteln diese Entwicklungen noch. Die erwartete Wachstumsverschiebung blieb aus, da das Wachstum in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften sich nicht hinreichend beschleunigte, um das schwächere Wachstum in den aufstrebenden Volkswirtschaften zu kompensieren, obwohl es in den von der Großen Finanzkrise am stärksten betroffenen fortgeschrittenen Ländern im inländischen Finanzzyklus zu einem leichten Aufschwung kam. Die niedrigeren Preise von Öl und anderen Rohstoffen haben bisher in den rohstoffimportierenden Ländern nicht den erwarteten Wachstumsschub ausgelöst. Eine mögliche Erklärung ist, dass der private Sektor nach wie vor damit beschäftigt ist, seine schwache Finanzlage zu sanieren. Zudem drücken die Nachwirkungen wiederholter finanzieller Auf- und Abschwünge und der Schuldenaufbau das Potenzialwachstum weltweit: Die Fehlallokation von Ressourcen scheint die Produktivität zu beeinträchtigen, und Schuldenüberhänge und Unsicherheit bremsen offenbar die Investitionen.

Kapitel IV: Geldpolitik: mehr Lockerung, weniger Spielraum

Die Geldpolitik blieb im vergangenen Jahr außerordentlich akkommodierend, während der Handlungsspielraum schwand und eine weitere Verzögerung der geldpolitischen Normalisierung wahrscheinlicher wurde. Vor dem Hintergrund divergierender geldpolitischer Maßnahmen in den wichtigsten fortgeschrittenen Volkswirtschaften hielten einige Zentralbanken an ihren historisch niedrigen Zinsen fest und weiteten ihre Bilanzen noch weiter aus. Die Entwicklung der Inflation spielte bei den geldpolitischen Entscheidungen eine wichtige Rolle, da Wechselkursschwankungen und sinkende Rohstoffpreise sich auf die Gesamtinflation auswirkten. Gleichzeitig mussten die Zentralbanken gegenläufige inflationäre Strömungen berücksichtigen, für die eine Mischung aus zyklischen und langfristigen Faktoren verantwortlich war, wobei Letztere die Kerninflation weiter in Zaum hielten. Eine weitere Herausforderung für die Zentralbanken war die Besorgnis darüber, dass die inländischen Transmissionskanäle der Geldpolitik scheinbar an Effektivität verloren hatten. Entsprechend nahm die Bedeutung externer Kanäle zu, doch bargen diese auch zusätzliche Risiken für die Preis- und die Finanzstabilität. Ganz allgemein machten die zunehmenden Spannungen zwischen Preis- und Finanzstabilität deutlich, dass sowohl nationalen als auch internationalen Finanzstabilitätsüberlegungen in den gegenwärtigen geldpolitischen Handlungsrahmen mehr Gewicht eingeräumt werden muss. Es wurden überdies Fortschritte gemacht, was das Verständnis der damit verbundenen Zielkonflikte und die Umsetzung eines solchen Handlungsrahmens angeht.

Kapitel V: Auf dem Weg zu einer finanzstabilitätsorientierten Fiskalpolitik

Die Fiskalpolitik sollte ein wesentlicher Bestandteil des makrofinanziellen Stabilitätskonzepts für die Nachkrisenzeit sein. Wie die Geschichte lehrt, können sich Bankenkrisen verheerend auf die öffentlichen Finanzen auswirken. Zunehmende fiskalpolitische Risiken wiederum schwächen das Finanzsystem. Sie tun dies auf direktem Weg, indem sie die Einlagengarantien untergraben und die Bilanzen der Banken über Verluste auf deren Staatsanleihebeständen schwächen. Sie tun dies aber auch indirekt, indem sie es erschweren, die Wirtschaft mit antizyklischen fiskalpolitischen Maßnahmen zu stabilisieren. Die enge wechselseitige Beziehung zwischen Banken und öffentlichen Finanzen kann auch zu einer negativen Rückkopplung zwischen sich gegenseitig verstärkenden Ausfallrisiken des Finanzsektors und des Staates führen. Um diese Rückkopplung zu mindern, ist es wichtig, die - derzeit bevorzugte - Behandlung von inländischen Staatsschuldtiteln in der Eigenkapitalregelung so umzugestalten, dass sie das Länderrisiko adäquater widerspiegelt. Doch dies allein genügt noch nicht. Entscheidend ist die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung einer soliden Haushaltslage. Wenn während eines Finanzbooms für ausreichende Puffer gesorgt wird, schafft dies Spielraum, um später in einer Krise Bilanzen zu sanieren und die Nachfrage anzukurbeln. Ein stärker antizyklischer fiskalpolitischer Kurs dürfte ebenfalls dazu beitragen, einen exzessiven Anstieg des Kreditvolumens und der Vermögenspreise einzudämmen. Doch den größten Beitrag zur Krisenprävention könnte die Abschaffung einer übermäßigen steuerlichen Bevorzugung von Schulden gegenüber dem Eigenkapital leisten, die einer Überschuldung Vorschub leistet und den Finanzsektor anfällig macht.

Kapitel VI: Finanzsektor: Zeit für ein neues Kapitel

Die Rahmenregelungen von Basel III stehen kurz vor ihrem Abschluss. Neben den noch zu treffenden Kalibrierungsentscheidungen ist nun die einheitliche und vollständige Umsetzung, einschließlich einer strengeren Überwachung, von zentraler Bedeutung. Geringere regulatorische Unsicherheit bedeutet für die Banken, dass sie weiter daran arbeiten müssen, ihre Geschäftsmodelle an das neue Marktumfeld anzupassen. Dazu gehört die Bewältigung von Altlasten, beispielsweise im Zusammenhang mit notleidenden Krediten - eine Anpassung, die unter schwierigen makroökonomischen Bedingungen und in einem Umfeld niedriger oder sogar negativer Zinssätze erfolgen muss. Sobald die Sanierung des Finanzsektors abgeschlossen ist, werden sicherere und solidere Banken zweifellos zu einer widerstandsfähigeren Wirtschaft beitragen. Gleichzeitig stellen sich neue aufsichtsrechtliche Fragen, denn die Risikoverlagerung zwischen Bankensektor und Nichtbankintermediären hält an. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Versicherungsaufsicht und der Regulierung von Investmentfonds zu.