Grenzüberschreitende Anlagen am globalen Schuldtitelmarkt seit der Krise

(Auszug S. 10-11 des Kapitels "Wichtigste Erkenntnisse aus den internationalen BIZ-Statistiken" des BIZ-Quartalsberichts vom März)

Der globale Schuldtitelmarkt wuchs bis Mitte 2013 gemessen am Schuldtitelumlauf auf schätzungsweise $ 100 Bio. an (Grafik C links). Mitte 2007 hatte sein Volumen noch $ 70 Bio. betragen. Allerdings verlief die Entwicklung in den wichtigsten Marktsegmenten unterschiedlich. Die rege Emissionstätigkeit von Staaten und Nichtfinanzunter­nehmen trieb den Anteil national begebener Anleihen in die Höhe, während die verhalteneren Platzierungen der Finanzinstitute die internationale Emissionstätigkeit insgesamt dämpften (Grafik C links).

Angesichts der erheblichen Ausweitung der Staatsausgaben in den vergangenen Jahren ist es nicht über­raschend, dass der öffentliche Sektor (Zentralstaat, regionale und lokale Gebietskörperschaften) der grösste Emittent von Schuldtiteln war (Grafik C links). Staatsschuldtitel werden vorwiegend am inländischen Markt aufgelegt, wo der Betrag an ausstehenden Staatsschuldtiteln im Juni 2013 auf $ 43 Bio. anstieg und damit rund 80% höher war als noch Mitte 2007 (gelber Bereich in Grafik C links). Die Schuldtitelemission der Nichtfinanzunternehmen weitete sich in ähnlichem Tempo aus (allerdings ausgehend von einem niedrigeren Niveau). Wie öffentliche Schuldner platzieren auch die Nichtfinanzunternehmen ihre Anleihen in erster Linie am inländischen Markt. Dementsprechend kletterte das Volumen der an den nationalen Märkten umlaufenden Schuldtitel von Nichtfinanzunternehmen Mitte 2013 auf über $ 10 Bio. (blauer Bereich in Grafik C links). Zu dieser Entwicklung dürfte unter anderem eine Substitution traditioneller Bankkredite durch Anleihefinanzierungen beigetragen haben, aber auch die Suche der Anleger nach Investitionen mit einer attraktiveren Verzinsung als die ausgesprochen niedrigen Renditen an den wichtigsten Staatsanleihemärkten.

Dass sich die internationalen Schuldtitelmärkte schleppender entwickelten als die nationalen, hing massgeblich mit dem Fremdkapitalabbau im Finanzsektor im Gefolge der Finanzkrise zusammen. Finanzinstitute (sowohl Banken als auch Nichtbanken) sind traditionell die stärksten Emittenten an den internationalen Schuldtitelmärkten (grauer Bereich in Grafik C links). Das Volumen der von Finanzinstituten international platzierten Schuldtitel hat sich seit Mitte 2007 jedoch lediglich um 19% erhöht, und der Schuldtitelumlauf an den nationalen Märkten hat sich seit Ende 2007 sogar um 5% verringert.

Wer sind die Anleger, die das Gros der neu emittierten Schuldtitel absorbiert haben? Handelt es sich überwiegend um nationale Anleger, oder haben sich die grenzüberschreitenden Investitionen ähnlich stark ausgeweitet wie die globalen Schuldtitelmärkte? Um diese Fragen zu beantworten, werden Daten aus den Wertpapierstatistiken der BIZ mit Informationen aus der Erhebung Coordinated Portfolio Investment Survey (CPIS) des IWF kombiniert.'  Den Ergebnissen der CIPS zufolge hielten gebietsfremde Investoren zuletzt rund $ 27 Bio. an globalen Schuldverschreibungen als Anlagen von Währungsreserven oder Portfolioinvestitionen (Grafik C Mitte). Damit machten die Anlagen Gebietsfremder etwa ein Viertel des Gesamtbestands an globalen Schuldverschreibungen aus, während die verbleibenden 75% auf nationale Anleger entfielen.

Die grenzüberschreitenden Portfolioinvestitionen in internationale Schuldverschreibungen wurden durch die globale Finanzkrise in Mitleidenschaft gezogen. So sank der Anteil der Schuldverschreibungen, die von ausländischen Investoren entweder als Anlagen von Währungsreserven oder in Form von Portfolioinvestitionen gehalten werden, von rund 29% des gesamten globalen Schuldtitelmarktes Anfang 2007 auf 26% Ende 2012. Dies stellte eine Umkehr des vor der Krise verzeichneten Trends dar: Im Zeitraum 2001-07 nämlich war der Anteil ausländischer Investoren um 8 Prozentpunkte auf einen Spitzenwert gestiegen. Im Einklang mit anderen aktuellen Untersuchungen deuten diese Zahlen darauf hin, dass sich der Prozess der internationalen Finanzmarktintegration seit dem Ausbruch der Krise teilweise umgekehrt hat.ƒ  Allerdings ist dies womöglich nur ein vorübergehendes Phänomen. Den jüngsten verfügbaren Daten der CPIS zufolge haben sich die grenzüberschreitenden Anlagen in Schuldverschreibungen in der zweiten Jahreshälfte 2012 leicht erholt.

Der Anteil der grenzüberschreitend gehaltenen Bestände ist in den verschiedenen Ländern und Regionen unterschiedlich stark gesunken (Grafik C rechts). So wurden Ende 2012 47% des Gesamtbestands an Schuldtiteln von Emittenten aus dem Euro-Raum von gebietsfremden Anlegern gehalten; dies waren 10 Prozentpunkte weniger als im Spitzenjahr 2006. Eine ähnliche Entwicklung war im Vereinigten Königreich zu beobachten. Dies lässt den Schluss zu, dass der Grossteil der Neuemissionen aus dem Euro-Raum und dem Vereinigten Königreich von nationalen Investoren absorbiert wurde. Neue US-Emissionen wurden hingegen zunehmend von ausländischen Anlegern erworben (Grafik C rechts). Dasselbe gilt für Schuldverschreibungen von Emittenten aus den aufstrebenden Volkswirtschaften: Im Jahr 2012 befanden sich 12% der umlaufenden Schuldtitel aus den aufstrebenden Volkswirtschaften in der Hand ausländischer Anleger, etwa doppelt so viel wie im Jahr 2008.

 

1 Die Grösse des globalen Schuldtitelmarktes wird anhand von drei Statistiken der BIZ geschätzt: der Statistik zum Schuldtitelmarkt insgesamt („total debt securities", TDS), der Statistik zum Absatz inländischer Schuldtitel („domestic debt securities", DDS) und der Statistik zum Absatz internationaler Schuldtitel („international debt securities", IDS). Eine Schuldverschreibung wird in den BIZ-Statistiken als international (IDS) eingestuft, wenn sich mindestens eines der folgenden Merkmale vom Sitzland des Emittenten unterscheidet: das Land, in dem das Wertpapier registriert ist, das Land, nach dessen nationalem Recht die Emission erfolgt, und der Standort des Marktes, an dem das Papier notiert ist. Alle anderen Schuldverschreibungen werden als inländisch (DDS) klassifiziert. Methodisch betrachtet ergibt sich aus der Summe der internationalen (IDS) und der nationalen (DDS) Schuldtitel der gesamte Schuldtitelbestand (TDS). Siehe B. Gruić und P. Wooldridge, „Verbesserungen der BIZ-Statistiken über den Absatz von Schuldtiteln", BIZ-Quartalsbericht, Dezember 2012.

2 Die Daten zu den grenzüberschreitenden Anlagen in Schuldverschreibungen stammen aus der CPIS, einer jährlich vom IWF auf freiwilliger Basis durchgeführten Erhebung von Daten zu Portfolioanlagen. Die IWF-Daten enthalten auch Informationen aus der Survey of Securities Held as Foreign Exchange Reserves (SEFER) und der Survey of Securities Held by International Organizations (SSIO); diesen Umfragen zufolge beliefen sich die Schuldverschreibungen, die als Anlagen von Währungsreserven bzw. von internationalen Organisationen gehalten werden, Ende 2012 insgesamt auf $ 4,8 Bio. Nähere Informationen zur CPIS finden sich unter http://cpis.imf.org/.

3 Messgrössen der internationalen Finanzmarktintegration auf der Grundlage internationaler Bilanzen (statt wie im vorliegenden Kasten nur auf Basis des globalen Schuldtitelmarktes) finden sich z.B. in P. Lane und G. M. Milesi-Ferretti, „International financial integration", IMF Staff Papers, Vol. 50, 2003. Aktuelle Belege für die Kontraktion der internationalen Bilanzen seit der Krise liefern u.a. G. Ma und R. N. McCauley in „Global and euro imbalances: China and Germany", BIS Working Papers, Nr. 424.