Absatz von in Offshore-Finanzzentren platzierten Schuldtiteln aufstrebender

(Auszug S. 12-14 des Kapitels "Wichtigste Erkenntnisse aus den internationalen BIZ-Statistiken" des BIZ-Quartalsberichts vom September 2013)

Finanz- und Nichtfinanzunternehmen aus aufstrebenden Volkswirtschaften setzen ihre Schuldtitel zunehmend über Offshore-Finanzzentren ab. Ende Juni 2013 waren 25% der umlaufenden internationalen Schuldverschreibungen von Unternehmen aus aufstrebenden Volkswirtschaften in Offshore-Finanzzentren begeben worden, verglichen mit 22% bei den Unternehmen aus fortgeschrittenen Volkswirtschaften (Grafik B links). In den 12 Monaten bis Mitte 2013 setzten Unternehmen aus aufstrebenden Volkswirtschaften $ 95 Mrd. bzw. rund ein Viertel ihres Gesamtemissionsvolumens in Offshore-Finanzzentren ab. Damit lösten sie Unternehmen aus fortgeschrittenen Volkswirtschaften ($ 32 Mrd.) als grösste Gruppe von Emittenten von Unternehmensschuldtiteln in Offshore-Finanzzentren ab (Grafik B rechts).

Es sind vor allem Emittenten aus gerade mal zwei Ländern, die für den rasanten Anstieg der Emissionstätigkeit in Offshore-Finanzzentren verantwortlich sind, nämlich China und Brasilien. Der Absatz chinesischer Unternehmensanleihen in Offshore-Finanzzentren schnellte von weniger als $ 1 Mrd. jährlich in den Jahren 2001 und 2002 auf $ 51 Mrd. im Zwölfmonatszeitraum bis Mitte 2013 hoch (Grafik C links). Dies entspricht rund 70% der gesamten internationalen Schuldtitel chinesischer Finanz- und Nichtfinanzunternehmen. Brasilianische Firmen beschaffen sich schon viel länger Mittel im Ausland, u.a. in Offshore-Finanzzentren. Von 2001 bis 2005 nahmen sie jährlich zwischen $ 2 Mrd. und $ 6 Mrd. in Offshore-Finanzzentren auf; im Zeitraum von Juli 2012 bis Juni 2013 kletterte ihr Emissionsvolumen auf fast $ 20 Mrd. (Grafik C Mitte), was 41 % des gesamten internationalen Anleiheabsatzes brasilianischer Unternehmen entspricht.

Der Absatz internationaler Anleihen über kontrollierte Offshore-Vehikel verschafft chinesischen und brasilianischen Unternehmen Zugang zu einer Anlegerbasis, für die es schwierig wäre, direkt in diesen Ländern zu investieren.1 Viele institutionelle Anleger haben kein Mandat oder verfügen nicht über die erforderliche technische Kapazität, um sich an den nationalen Anleihemärkten der aufstrebenden Volkswirtschaften zu engagieren. Selbst wenn sie vor Ort investieren könnten, bietet der Erwerb von in Offshore-Finanzzentren begebenen Anleihen den Vorteil einer geringeren administrativen Belastung, da sich durch Homogenisierung der Anlagetätigkeit der Aufwand schmälern lässt, der mit dem Agieren in Dutzenden unterschiedlichen Steuer- und Rechtssystemen einhergeht. Für einige Anleger sind Anleihen und andere Schuldtitel, die in Offshore-Finanzzentren begeben werden, auch aus steuerlichen Gründen attraktiv. Viele Staaten erheben von Anlegern mit Sitz in anderen Ländern, in denen der Einkommensteuersatz unter 20% liegt, eine Quellensteuer. Dazu zählen auch die Offshore-Finanzzentren, in denen viele Fonds registriert sind, die in aufstrebenden Volkswirtschaften investieren. Darüber hinaus sind Anleihen, die durch verbundene Offshore-Vehikel begeben werden, eventuell weniger stark von Kapitalkontrollen betroffen als nationale Schuldtitel. Dem sollte jedoch nicht zu viel Wert beigemessen werden, denn Regierungen können auch die Repatriierung ausländischer Vermögenswerte anordnen.

In China scheint sich auf den ersten Blick ein anderes Bild zu zeigen. Anders als in Brasilien haben sich chinesische Unternehmen traditionell im Inland finanziert. Allerdings hat sich durch das nachhaltige Wachstum und die zunehmende Integration der chinesischen Wirtschaft die Nachfrage internationaler Anleger nach chinesischen Finanzaktiva erhöht. Daher ist es für chinesische Emittenten häufig günstiger, Mittel im Ausland aufzunehmen als über den nationalen Markt. Dies gilt insbesondere für auf Renminbi lautende Schuldtitel, bei denen die Offshore-Renditen in der Regel deutlich niedriger sind als die entsprechenden Inlandsrenditen.2 Deshalb lautet auch ein beachtlicher Anteil (16%) der in Offshore-Finanzzentren emittierten chinesischen Unternehmensschuldverschreibungen auf Renminbi.3 Allerdings ist der US-Dollar nach wie vor die weitaus wichtigste Emissionswährung chinesischer Unternehmen: Auf ihn lauten 77% der in Offshore-Finanzzentren abgesetzten chinesischen Unternehmensanleihen. Dies könnte wiederum Ausdruck unterschiedlich hoher Finanzierungskosten sein. Die Renditen auf Dollar lautender Schuldtitel liegen unter denen vergleichbarer Renminbi-Anleihen, und viele Marktteilnehmer rechnen mit einer Aufwertung der chinesischen Währung.

Was geschieht mit den US-Dollar-Beträgen, die chinesische Unternehmen durch den Absatz internationaler Schuldtitel in Offshore-Finanzzentren hereinnehmen? Zum einen entfällt rund ein Drittel des Offshore-Absatzes auf chinesische Finanzinstitute, die mit solchen Emissionen ihre Dollar-Kreditvergabe in China finanzieren.4 Zum anderen könnte der rege Absatz von Schuldtiteln durch Nichtfinanzunternehmen Ausdruck der Internationalisierung dieser Unternehmen sein. Chinesische Firmen haben in letzter Zeit weltweit Vermögenswerte erworben, und diese Käufe scheinen zumindest teilweise durch im Ausland aufgenommene Mittel finanziert worden zu sein. Dies könnte den relativ hohen Anteil von Öl- und Gasunternehmen am Gesamtabsatz internationaler Anleihen chinesischer Nichtfinanzunternehmen erklären (Grafik C rechts). Bei den Unternehmen im Sektor „Sonstiges" scheint es sich zudem zu einem beträchtlichen Teil um Industrieunternehmen mit Niederlassungen im Ausland zu handeln. Der Anteil der Unternehmen aus dem Immobilienbereich ist jedoch noch höher als der der Öl- und Gasunternehmen. Dies legt den Schluss nahe, dass die im Ausland hereingenommenen US-Dollar-Mittel zu großen Teilen letztlich in China gelandet sind.


1 Einzelheiten dazu s. S. Black und A. Munro, „Why issue bonds offshore?", BIS Papers, Nr. 52, 2010, S. 97-144.

2 Siehe G. Ma und R. N. McCauley, „Is China or India more financially open?", Journal of International Money and Finance, 2013 (erscheint demnächst).

3 Weit weniger als 1% der in Offshore-Finanzzentren emittierten Schuldtitel brasilianischer Unternehmen sind in Real denominiert.

4 Siehe D. He und R. N. McCauley, „Transmitting global liquidity to East Asia: policy rates, bond yields, currencies and dollar credit", Mimeo, 2013.