Messung des Engagements von Bankensystemen gegenüber bestimmten Ländern

BIS Quarterly Review  | 
14. Juni 2010

(Auszug der Seite 20 vom BIS Quarterly Review, Juni 2010)

Die konsolidierte BIZ-Statistik zum internationalen Bankgeschäft vermittelt einen einzigartigen Einblick in die Engagements der nationalen Bankensysteme gegenüber den Gebietsansässigen eines bestimmten Landes. Die Statistik liefert Informationen zu den aggregierten Auslandsforderungen1 von Banken mit Hauptsitz an einem bestimmten Ort auf weltweit konsolidierter Basis. Die konsolidierte Bankenstatistik der BIZ bietet eine nützlichere Messgrösse des gesamten Risikoengagements eines berichtenden Bankensystems als die standortbezogene BIZ-Statistik, die auf dem Prinzip der Gebietsansässigkeit beruht.

Die konsolidierte BIZ-Statistik zum internationalen Bankgeschäft auf Basis des letztlichen Risikoträgers ist die geeignetste Quelle zur Messung des aggregierten Engagements eines Bankensystems gegenüber einem bestimmten Land. Anders als die konsolidierte BIZ-Statistik zum internationalen Bankgeschäft auf Basis des unmittelbaren Kreditnehmers wird sie um Nettorisikotransfers bereinigt. Angenommen z.B., eine schwedische Bank vergibt einen Kredit an ein Unternehmen mit Sitz in Mexiko, und der Kredit wird durch eine US-Bank garantiert. Auf Basis des unmittelbaren Kreditnehmers würde der Kredit als Forderung einer schwedischen Bank an Mexiko betrachtet, da der unmittelbare Kreditnehmer in Mexiko ansässig ist. Auf Basis des letztlichen Risikoträgers wäre der Kredit jedoch eine Forderung einer schwedischen Bank an die USA, da der letztliche Risikoträger dort seinen Sitz hat.

Ein konkretes Beispiel: Mithilfe der konsolidierten BIZ-Statistik zum internationalen Bankgeschäft auf Basis des letztlichen Risikoträgers kann man das Engagement kanadischer Banken gegenüber Gebietsansässigen Dänemarks zum Ende des letzten Quartals ermitteln, für das Daten zur Verfügung stehen. So zeigt das Feld mit dem Berichtsland Kanada (im Spaltentitel) und dem Schuldnerland Dänemark (im Zeilentitel) in der BIZ-Tabelle 9D2, dass sich die konsolidierten Auslandsforderungen kanadischer Banken gegenüber Dänemark Ende des vierten Quartals 2009 auf $ 2 068 Mio. beliefen. Diese Zahl umfasst die aggregierten Forderungen aller in kanadischem Besitz befindlichen Bankniederlassungen und -tochtergesellschaften weltweit gegenüber Gebietsansässigen Dänemarks. Daher würde sie einen von der Londoner Niederlassung einer kanadischen Bank an ein Unternehmen mit Sitz in Kopenhagen vergebenen Kredit mit einschliessen (sofern der Kredit nicht durch ein anderes Unternehmen mit Sitz ausserhalb Dänemarks garantiert wird). Dagegen würde ein von der Niederlassung einer US-Bank in Toronto vergebener Kredit an dasselbe Unternehmen in Kopenhagen nicht berücksichtigt, da es sich bei diesem Kredit um eine Forderung einer US-Bank und nicht einer kanadischen Bank handeln würde.

Veränderungen in der Bankenlandschaft, wie z.B. Fusionen, Übernahmen und Restrukturierungen, haben oft Veränderungen im Berichtskreis der konsolidierten Bankenstatistik der BIZ zur Folge. Bei einer Analyse der Veränderungen des Engagements von einem Berichtszeitraum zum nächsten müssen daher alle Brüche in den Datenreihen berücksichtigt werden, die in der betreffenden Zeit erfolgt sind, bevor irgendwelche Schlussfolgerungen gezogen werden können.3 So führte beispielsweise eine Restrukturierung im vierten Quartal 2009 dazu, dass eine ehemals schweizerische Bank neu als griechische Bank eingestuft wurde. Deshalb wurden ihre Forderungen an Griechenland in den konsolidierten Angaben für Schweizer Banken nicht mehr berücksichtigt. Diese Veränderung im Berichtskreis der Schweizer Banken war die Hauptursache dafür, dass die Forderungen von Schweizer Banken an Gebietsansässige Griechenlands im vierten Quartal 2009 um $ 74,9 Mrd. (von $ 78,6 Mrd. im dritten Quartal auf $ 3,7 Mrd.) schrumpften. Vergleicht man die Zahlen für diese zwei Quartale in der BIZ-Tabelle 9D, ohne den Bruch in der Datenreihe im vierten Quartal zu berücksichtigen, käme man zu dem irrigen Schluss, dass die Auslandsforderungen von Schweizer Banken an Griechenland dramatisch eingebrochen sind, während sich in Wirklichkeit der Forderungsbestand der fraglichen Bank nicht wesentlich verändert hat.

Vorsicht ist auch am Platz, wenn mithilfe der konsolidierten BIZ-Statistik zum internationalen Bankgeschäft ermittelt werden soll, wie stark das Bankensystem X dem Risiko einer Umstrukturierung der Staatsschulden von Land Y ausgesetzt ist. So beziehen sich die in BIZ-Tabelle 9D ausgewiesenen Zahlen auf die konsolidierten Auslandsforderungen eines bestimmten Bankensystems an alle Gebietsansässigen (d.h. den öffentlichen Sektor, Banken sowie Nichtbanken des Privatsektors) eines Landes. Wenn somit das Bankensystem X hohe Auslandsforderungen gegenüber Gebietsansässigen des Landes Y hat, bedeutet dies nicht unbedingt, dass das Bankensystem X sehr stark im öffentlichen Sektor des Landes Y engagiert ist.


1 Auslandsforderungen umfassen Kredite, platzierte Einlagen, Schuldtitelbestände, Beteiligungspapiere und andere Bilanzposten. Nicht darin eingeschlossen sind dagegen sonstige Engagements, wie Derivativkontrakte, Garantien und Kreditzusagen.
2 Konsolidierte Auslandsforderungen der Berichtsbanken auf Basis des letztlichen Risikoträgers, www.bis.org/statistics/consstats.htm.
3 Die BIZ informiert über alle wichtigen Brüche in der Pressemitteilung, die jeweils bei Veröffentlichung der Daten herausgegeben wird. Darüber hinaus ist auf der BIZ-Website ein gesondertes, jeweils für das neue Quartal aktualisiertes Dokument (www.bis.org/statistics/breakstablescons.pdf) verfügbar mit näheren Angaben bezüglich des Zeitraums, in dem die Veränderung stattfand, des berichtenden Landes, des Grundes für den Bruch und der Nettoveränderungen in den aggregierten Forderungen und Verbindlichkeiten, die sich daraus ergaben.