BIZ-Quartalsbericht Dezember 2015: Angespannte Ruhe vor Anhebung der US-Leitzinsen

Pressemitteilung  | 
6. Dezember 2015

In der Dezember-Ausgabe des BIZ-Quartalsberichts wird untersucht, wie die globalen Finanzmärkte in den letzten Monaten auf die Aussicht auf divergierende geldpolitische Rahmenbedingungen in den wichtigsten fortgeschrittenen Volkswirtschaften reagiert haben.

  • Im Oktober stabilisierten sich die Märkte nach den Turbulenzen vom August wieder.

  • Im November liessen es robuste Wirtschaftsdaten aus den USA wahrscheinlicher erscheinen, dass es zu einer Anhebung der Leitzinsen durch die Federal Reserve kommen würde. Die Aussicht auf höhere US-Zinsen stellte eine Reihe von aufstrebenden Volkswirtschaften vor Herausforderungen wie Währungsschwäche, höhere Anleiherenditen und mögliche Kapitalabflüsse.

  • Daten aus früheren Monaten des Jahres deuten auf eine Verlangsamung der internationalen Finanzierungsströme hin. Die grenzüberschreitende Bankkreditvergabe nahm im zweiten Quartal ab - der erste Rückgang seit Mitte 2013. Der Absatz internationaler Schuldtitel verlangsamte sich im dritten Quartal 2015, insbesondere in aufstrebenden Volkswirtschaften.

  • Die Bankkreditströme könnten durch Wechselkursentwicklungen beeinflusst worden sein, da die Abschwächung des Euro mit einem Anstieg der Mittelaufnahme in Euro ausserhalb des Euro-Raums einherging.

Vier Feature-Artikel befassen sich mit statistischen, regulatorischen und finanzmarktbezogenen Fragen:

  • Eine Datenreihe der BIZ liefert ein detaillierteres Bild darüber, wie US-Dollar-Kredite ausserhalb der USA verteilt sind. Robert McCauley, Patrick McGuire und Vladyslav Sushko (BIZ) analysieren die Trends bei der Dollar-Mittelaufnahme in verschiedenen aufstrebenden Volkswirtschaften.

  • Ingo Fender und Ulf Lewrick (BIZ) kommen zu dem Schluss, dass beträchtlicher Spielraum für eine Anhebung der Mindestanforderung für die Höchstverschuldungsquote von Basel III besteht und sich unter dem Strich immer noch ein gesamtwirtschaftlicher Nutzen ergibt.

  • Dietrich Domanski, Leonardo Gambacorta und Cristina Picillo (BIZ) argumentieren, dass zwar Fortschritte bei der Stärkung der Widerstandsfähigkeit von zentralen Gegenparteien erzielt wurden, dass die Interaktion des zentralen Clearings mit dem übrigen Finanzsystem jedoch nach wie vor mit Unklarheiten behaftet ist.

  • Marlene Amstad (Chinese University of Hong Kong, Shenzhen) und Frank Packer (BIZ) zeigen auf, wie sich die Länderratings seit dem Ende der Finanzkrise entwickelt haben. Sie analysieren deren Bestimmungsfaktoren und gehen der Frage nach, ob es Verzerrungen bei der Bewertung von staatlichen Schuldnern in den aufstrebenden Volkswirtschaften gibt.

Abrisse der einzelnen Kapitel

Angespannte Ruhe vor Anhebung der US-Leitzinsen

Das Marktgeschehen im vierten Quartal 2015 wurde bestimmt durch das Zusammenspiel der veränderten Aussicht auf eine geldpolitische Normalisierung in den USA, der Schwachstellen in aufstrebenden Volkswirtschaften und der geldpolitischen Lockerung in anderen wichtigen fortgeschrittenen Volkswirtschaften.

Nach dem Kurseinbruch im August und September kehrte im Oktober wieder mehr Ruhe an den Märkten ein. Die Befürchtung, dass es zu einer Krise in den aufstrebenden Volkswirtschaften kommen würde, schwand, als sich die Aktien- und Devisenmärkte Chinas - das Epizentrum der Turbulenzen - stabilisierten. Gestützt wurde die Marktstimmung auch durch staatliche Interventionen in den aufstrebenden Volkswirtschaften und die Erwartung einer weiterhin lockeren Geldpolitik in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften, auch in den USA. Die Vermögensmärkte weltweit erholten sich kräftig, und die Volatilität ging zurück.

Nach der Oktober-Sitzung des Offenmarktausschusses der Federal Reserve und der Veröffentlichung robuster Beschäftigungszahlen für die USA Anfang November kippte die Stimmung. Beide Ereignisse liessen eine Anhebung der US-Leitzinsen noch in diesem Jahr sehr viel wahrscheinlicher erscheinen. In dem Anziehen der Renditen von US-Anleihen und der erneuten Aufwertung des Dollars spiegelte sich die Erwartung der Märkte wider, dass der US-Leitzins und die Leitzinsen anderer fortgeschrittener Volkswirtschaften auseinanderdriften würden.

Obwohl in den aufstrebenden Volkswirtschaften besonders umfangreiche Neubewertungen vorgenommen wurden, waren die Marktreaktionen kurzlebig. In den ersten fünf Tagen nach Veröffentlichung der US-Beschäftigungszahlen reagierten die Aktien-, Anleihe- und Devisenmärkte ähnlich wie beim Tapering-Schock Mitte 2013. Doch im Gegensatz zu damals hatten die Märkte Mitte November die Verluste in den verschiedenen Kategorien von Vermögenswerten aufstrebender Volkswirtschaften wieder weitgehend wettgemacht.

Die Erholung der Märkte könnte darauf schliessen lassen, dass aufstrebende Volkswirtschaften in der Lage sind, die Aussicht auf eine restriktivere US-Geldpolitik zu verkraften. Allerdings erhöhen ungünstigere Finanzmarktbedingungen zusammen mit einem schwächeren Konjunkturausblick und einer stärkeren Reagibilität auf US-Zinssätze die Gefahr negativer Spillover-Effekte auf aufstrebende Volkswirtschaften, wenn die Zinssätze in den USA dann tatsächlich ansteigen. Ausserdem könnten restriktivere Finanzierungsbedingungen die zunehmenden Risiken für die Finanzstabilität noch verschärfen. 

Wichtigste Erkenntnisse aus den internationalen BIZ-Statistiken

Das grenzüberschreitende Bankgeschäft schrumpfte von Ende März bis Ende Juni 2015 deutlich, womit die kräftige Ausweitung des ersten Quartals dieses Jahres mehr als rückgängig gemacht wurde. Wie die standortbezogene Bankgeschäftsstatistik der BIZ zeigt, fielen die grenzüberschreitenden Forderungen im zweiten Quartal 2015 wechselkursbereinigt um $ 902 Milliarden. Dadurch ging die Jahreswachstumsrate von 6% Ende März auf 1% Ende Juni 2015 zurück. Die grenzüberschreitenden Forderungen sanken auch der konsolidierten Bankgeschäftsstatistik der BIZ zufolge, wenn auch weniger stark.

Die Bankkreditvergabe an fortgeschrittene und aufstrebende Volkswirtschaften entwickelte sich im zweiten Quartal 2015 unterschiedlich. Die grenzüberschreitenden Forderungen an fortgeschrittene Volkswirtschaften fielen um $ 916 Milliarden, wodurch der Anstieg aus dem ersten Quartal 2015 in Höhe von $ 761 Milliarden mehr als ausgeglichen wurde und die Jahreswachstumsrate auf weniger als 1% fiel. Im Gegensatz dazu wuchsen die grenzüberschreitenden Forderungen an aufstrebende Volkswirtschaften um $ 46 Milliarden, wodurch der Rückgang des Vorquartals in Höhe von $ 57 Milliarden nahezu wettgemacht wurde. Trotz des jüngsten vierteljährlichen Anstiegs fiel die Jahreswachstumsrate der grenzüberschreitenden Kreditvergabe an aufstrebende Volkswirtschaften erstmals seit Ende September 2012 in den negativen Bereich (-1%).

Die Emissionstätigkeit am internationalen Schuldtitelmarkt dagegen war im gesamten ersten Halbjahr generell hoch. Doch im dritten Quartal geriet sie ins Stocken, und der Nettoabsatz ging auf $ 50 Milliarden zurück - die stärkste Abnahme seit dem ersten Quartal 2013. Damit war der Nettoabsatz jeweils fast 80% niedriger als im Vorquartal und im dritten Quartal 2014. Der Absatz verlangsamte sich sowohl in fortgeschrittenen als auch in aufstrebenden Volkswirtschaften erheblich. Schuldner aus fortgeschrittenen Volkswirtschaften emittierten nach Berücksichtigung der Tilgungen Schuldtitel im Umfang von $ 22 Milliarden, $ 100 Milliarden weniger als im Vorquartal. Schuldner aus aufstrebenden Volkswirtschaften emittierten netto Schuldtitel im Umfang von lediglich $ 1,5 Milliarden bzw. rund $ 89 Milliarden weniger als im Vorquartal.1 Der Rest entfiel auf Offshore-Finanzplätze und internationale Organisationen.  

Features

Dollarschulden aufstrebender Volkswirtschaften*

Dieser Artikel enthält länderbezogene Einzelheiten zur Dollar-Mittelaufnahme von Schuldnern in aufstrebenden Volkswirtschaften. Robert McCauley, Patrick McGuire und Vladyslav Sushko (BIZ) analysieren diese Schulden für 12 wichtige Volkswirtschaften, auf die ein Grossteil der auf US-Dollar lautenden Gesamtverschuldung aufstrebender Volkswirtschaften entfällt. Die Autoren messen sowohl Dollarschulden von Nichtbanken mit Sitz in diesen 12 Volkswirtschaften als auch Dollarschulden von ihren Geschäftsstellen im Ausland und stellen sie anderen verbreiteten Messgrössen für Schulden gegenüber. Sie erläutern zudem die Einschränkungen der von ihnen verwendeten Daten.

Die Kalibrierung der Höchstverschuldungsquote*

Die Höchstverschuldungsquote von Basel III soll den Aufbau von Schulden im Bankensektor begrenzen und die bestehenden risikobasierten Eigenkapitalanforderungen mit einem einfachen, nicht risikobasierten Mass ergänzen. Doch worauf ist bei der Festlegung einer Mindestanforderung für die Höchstverschuldungsquote zu achten? Ingo Fender und Ulf Lewrick (BIZ) stellen einen konzeptionellen Rahmen für die Kalibrierung der Höchstverschuldungsquote vor. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der zyklischen und der strukturellen Dimension der Höchstverschuldungsquote sowie auf ihrer Kohärenz mit den risikobasierten Eigenkapitalanforderungen. Dieser Rahmen wird anschliessend auf historische Bankdaten angewandt. Auf der Grundlage eines explizit konservativen Ansatzes und vorbehaltlich einiger Einschränkungen ergibt sich den Autoren zufolge Spielraum für eine Erhöhung der Höchstverschuldungsquote über das ursprüngliche, vorläufige Minimum von 3% hinaus auf einen Wert zwischen 4% und 5%.

Zentrales Clearing: Trends und aktuelle Fragestellungen*

Mit dem zentralen Clearing standardisierter Finanzinstrumente, das von den Staats- und Regierungschefs der G20 gefördert wird, werden einige Gefahren für die Finanzstabilität eingedämmt, die sich in der Grossen Finanzkrise manifestiert hatten. Der rasche Aufstieg des zentralen Clearings seit 2009 hat zweifellos die Widerstandskraft des Finanzsystems gestärkt, dürfte aber auch die Interaktion zwischen den zentralen Gegenparteien und dem übrigen Finanzsystem verändert haben. Vor dem Hintergrund dieser Veränderungen erörtern Dietrich Domanski, Leonardo Gambacorta und Cristina Picillo (BIZ), wie das zentrale Clearing das Systemrisiko beeinflusst haben könnte.

Länderratings von fortgeschrittenen und aufstrebenden Volkswirtschaften nach der Krise*

Nach dem Ende der Krise haben die drei grössten Ratingagenturen die Bewertung des Kreditrisikos von Staaten überprüft und mehr Transparenz in Bezug auf die verwendeten Bewertungsmethoden geschaffen. Gemäss Marlene Amstad (Chinese University of Hong Kong, Shenzhen) und Frank Packer (BIZ) hat sich dadurch die Rangordnung der Risiken deutlich verändert. Einfache statistische Modelle erklären den Grossteil der Ratingunterschiede und erfassen einige methodische Veränderungen. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Hypothese, dass es bei der Bewertung aufstrebender Volkswirtschaften zu Verzerrungen kommt. Andere Ratingagenturen als die drei grössten verwenden eine alternative Rangordnung der Risiken, die die aufstrebenden Volkswirtschaften in besserem Licht erscheinen lässt. Allerdings stimmt diese in der Regel in geringerem Masse mit den auf Marktpreisen und Angaben institutioneller Anleger basierenden Rangordnungen überein.


1 Angaben einschl. Hongkong SVR und Singapur.

* Namentlich gezeichnete Artikel geben die Meinung der Autoren wieder, die sich nicht unbedingt mit dem Standpunkt der BIZ deckt.